Leadership Essays 2020

Video-Teamkultur

Lasst uns in Video-Teammeetings wieder zusammenkommen

Pascale Heijdemann, Renate Koy-Hinzmann, Sereina Kessler, Helen Pombo, Jun Sarbach

Führungskräfte von heute, die die Welt von morgen umarmen
Matthias Horx (2016): «Arbeiten in Megatrends»

Matthias Horx (2016): «Arbeiten in Megatrends»

«Weder eine Linie noch eine Kurve können die Zukunft erklären. Das richtige Symbol für die Zukunftsbewegung ist die Spirale. Das Wesen des Kommenden ist dynamische Turbulenz.»

Die Welt befindet sich in Aufbruchstimmung und gewinnt immer mehr an Komplexität. Die Industrie 4.0 ist ein intensives Zusammenspiel zwischen intelligenten Objekten und Menschen über Datennetze. Das Zeitalter der Kollaboration hat begonnen. Im digitalen Wandel entstehen neue Kooperationen, Peer-to-Peer-Geschäftsmodelle und Corporate Venturing als zukünftige Modelle und Start-ups, um langfristige wirtschaftliche Erfolge zu sichern. Es findet ein verstärktes Sharing von Ressourcen wie u. a. von Know-how, Human Capital und Information Technology statt. Der digitale Wandel schafft Agilität und Komplexität. Die digitalen Kommunikationstechnologien verändern unser gesellschaftliches Leben. Es entstehen neue Lebensformen und Verhaltensmuster, die soziokulturellen Codes werden neu definiert.

Um in diesem Wandel erfolgreich zu sein, benötigen Unternehmen bzw. die Führung Netzwerkkompetenzen und ein digitales Verständnis für ganzheitliche Systeme.

Eine Herausforderung an das Unternehmen ist es, eine neue Kultur, ein familiäres Umfeld, eine Wir-Kultur zu pflegen und die dafür motivierten Mitarbeitenden mit dem richtigen Mindset einzubeziehen. Wir sind in den mobilen Arbeitsformen weltweit und immer erreichbar, gewinnen an mehr Flexibilität und arbeiten am Selbstmanagement. Das Internet of Things macht es möglich, zeit- und ortsunabhängig zu arbeiten. Jedoch mit neuen Modellen allein ist der Wandel nicht bewältigt. Wir brauchen die Fähigkeit zum Wandel! Essentiell ist der Ausbau von Kompetenzen im Hinblick auf die Ressourcen und die Herausbildung neuer Kooperationsformen, Geschäftsstrategien und Innovationen für die erfolgreiche Umsetzung der Nachhaltigkeit. Skalierbares Lernen ist Voraussetzung und mehr denn je gefragt in der Interaktion zwischen Mensch und Maschine.

Die Transformation und die digitale Evolution der Führung hat bereits begonnen. Der primus inter pares (lateinisch für «Erster unter Gleichen») ist geboren! Er ist inspirierend und reisst Mitarbeitende aus deren Komfortzonen.

Wir sind die Führung 4.0: Mentoren führen mit Empathie, sind offen für Neues, fördern die Vielfalt und setzten auf Altersvielfalt.

Damit stärken wir die neue Wir-Kultur! Die Vision der Organisation wird mit der werteorientierten Führung – value based leadership – gestärkt und inspiriert Mitarbeitende, gemeinsamen Zielen zu folgen. Die Diversität wird mit dem female leadership unterstützt: Frauen in Führungsetagen etablieren einen eigenen Führungsstil. Eine positive Auswirkung auf den finanziellen Erfolg ist bereits nachgewiesen. Die digitale Evolution u. a. durch maschinelles Lernen – KI – benötigt die digitale Führung – AI & Leadership –, die den Mitarbeitern das big picture mit Visionen, Werten und emotionaler Intelligenz vermittelt und Orientierung liefert. Der digitale Leader sollte auf die Zusammenarbeit und auf das Expertenwissen setzen, Mitarbeiterpotenziale entdecken, fördern und Technologiewissen aufbauen.

In Zeiten extremer unerwarteter Herausforderungen sind die Führungskräfte gefordert, kontinuierliches Experimentieren und Fehlerkultur zuzulassen sowie Vertrauen und Sicherheit zu pflegen, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

Wenn die Führung nicht im Einklang mit dem Wandel interagiert, kann es Rückschläge geben. Einige Organisationen setzen Überwachungstechnologien wie Spionage-Apps ein, um Mitarbeitende zu überwachen. Diese Aufnahmen von Aktivitäten an IT-Geräten kontrollieren die Effizienz und Produktivität der Mitarbeiter. Die Belegschaft wird einem enormen Druck ausgesetzt, der wiederum zu deren Leistungsabfall führt. Gesundheitliche Beeinträchtigungen und Absenzen sind die Folgen. Diese Technologie wird als praktische Hilfe gesehen und reizt vor allem junge unerfahrene Führungskräfte, um ihre Unsicherheit zu kompensieren. Hier sind Unternehmen stark gefordert, Datenschutzbestimmungen einzuhalten.

Die Art und Weise, wie Mitarbeitende geführt werden, hat direkte Auswirkungen auf das Unternehmen. So schlägt sich die Effektivität des Führungsstils auf die Produktivität der Mitarbeitenden und auf den Geschäftserfolg nieder. Doch was genau macht einen guten Führungsstil aus? Wenn die Führungskraft bewusst kommuniziert, handelt und führt, können das Engagement und die Leistung der Mitarbeitenden gesteigert werden. Die Leidenschaft und die Innovation ist die Basis für unsere Erfolge, mentales Wachstum und unsere Handlungsfähigkeit. Die Führungskräfte sollten deren Wirkungskompetenz stärken. Wir wirken immer und überall – wer andere überzeugen will, muss diese emotional und kognitiv erreichen. Fachkompetenz allein genügt nicht. Viele Mitarbeitende folgen inspirierenden Leadern und nehmen dafür sogar finanzielle Einbussen oder Karrierenachteile in Kauf, weil sie sich mental weiterentwickeln möchten und durch das vermittelte Gefühl der Sicherheit eine Hebelwirkung auf die Zukunftsfähigkeit erzeugen. Eine transparente Kommunikation wird benötigt, um das Gefühl der Isolation zu verringern, Motivation und Integration zu stärken und Energien nachhaltig freizusetzen. Das erzeugt Stabilität, die die Entfaltung der Wir-Kultur begünstigen.

Die Schere zwischen progressiven und konservativen Unternehmen wird sich weiter öffnen. Der Trend in den globalen Transformationsprozessen wird noch rasanter fortschreiten. Selbst die besten Ratgeber werden nicht zum gewünschten Erfolg führen, wenn die Nutzung der Technologie nicht mit Bedacht erfolgt und die digitale Distanz nicht durch regelmässig praktizierte Nähe unterstützt wird. Gemeinsame Offsite-Veranstaltungen sowie kontinuierlicher Austausch mit der Geschäftsleitung und zwischen den Geschäftsbereichen sind essentiell und stärken die Wir-Kultur in Organisationen.

Die soziale Isolation und die ständige Erreichbarkeit zerrt an menschlichen Kräften, es entwickeln sich einsame Solisten.

Wir müssen diese Entwicklung rechtzeitig erkennen und ihr mit den verfügbaren Ressourcen entgegenwirken. Die heutige Gesellschaft ist von einem allgegenwärtigen Überangebot an digitalen Tools und digitalem Konsum gekennzeichnet. Ein trendiger Begriff, der uns seit Jahren erreicht ist die «Selbstoptimierung». Die Glorifizierung von grenzenloser Selbstoptimierung unterstützt durch neue Technologien beeinflusst Individuen und treibt diese zu immer mehr Leistung an. Die körperliche und mentale Fitness ist sehr förderlich und die Selbstoptimierung positiv, vorausgesetzt wir setzen uns smarte und erreichbare Ziele, denn die Dosis ist entscheidend!

Mit unserem Verhalten, Denken und Handeln beeinflussen wir direkt unsere Umwelt. Das Miteinander von Mensch und Technologie fasziniert und verleitet zu Innovationen mit immer weitreichenderen Folgen. Die Genforschung macht uns vor, welche Zukunftswelten sich mit dem Einsatz von exponentieller Technologie eröffnen. Die Einblicke in unser Erbgut sind faszinierend. Wir müssen rechtzeitig sicherstellen, dass unsere Wertesysteme – Ethik, Moral, Recht – nicht beschnitten werden.

Wir müssen nicht allen Trends folgen, aber eine klare Sicht und Sensibilisierung auf die gesellschaftlichen Änderungen entwickeln, unsere Stärken stärken.

Habt Mut, Neues zu entdecken und seid inspirierend! Get closer, go digital and stay human.

https://youtu.be/HTM1d86pA6o

In der Arbeitswelt 4.0 sind Video-Teammeetings zu einem zentralen Element in der Teamkommunikation geworden. Und durch die Digitalisierung des Arbeitsplatzes wird Homeoffice zur Selbstverständlichkeit. Wie können aber agile Teams in einem gemeinsamen virtuellen Raum ihre eigene Wir-Kultur pflegen und stärken, um in der VUCA-Welt effektiv zu agieren?

Homeoffice ist The New Normal

Die neue Grundhaltung ist, dass selten das ganze Team an einem physischen Ort arbeitet. Sein Treffpunkt ist online, in einem virtuellen Raum. Wir benötigen nur wenige Klicks, um vom Meetingraum im vertrauten Büro zum virtuellen Video-Teammeeting zu wechseln. Ganz im Sinne von «The medium is the message» sind Video-Teammeetings aber viel mehr als ein technischer Vorgang. Auch wenn, der grosse Schritt in Richtung New Work erst dann möglich wird, wenn die dazu notwendigen IT-Systeme und Informationsprozesse funktionieren. Es erfordert neue Methoden, um mit den eingesetzten Medien, vor allem dem neuen Herzstück Video-Teammeeting gekonnt umzugehen.

Die Veränderungen, die das Team durchläuft, sind nicht zu unterschätzen. Auch wenn sie mit einem Klick im virtuellen Teamraum sind, mag sich das für einige eher anfühlen wie der Bezug eines neuen Bürogebäudes an einem anderen Ort. Vertrautes ist verloren, Missverständnisse nehmen zu und neue informelle Hierarchien entstehen. Und alle im Team sind unterschiedlich schnell in diesem Wechsel vom alten zum neuen Wir-Raum unterwegs. Hier liegt gerade für Teamleiterinnen eine grosse Herausforderung und Chance zugleich.

Beobachten statt Blicke tauschen

Zwischenmenschliches wird im Medium video call anders transportiert. Im nun zentralen Videomeeting müssen Teamleiterinnen ihr ganzes Team, sprich alle Gesichter gleichzeitig auf dem Schirm lesen. Wir beobachten uns anders, wir drehen nicht mehr den Kopf, sondern suchen unsere Kollegen auf dem Bildschirm. Wohlwollende Gesten, ein einfaches Zunicken, Anlächeln entfällt ebenso wie ein spontanes Wort zwischendurch. Kleine Gesten oder gar traurige Gesichter können dadurch nicht mehr so einfach wahrgenommen werden. Entsprechend unsicher interpretieren wir Reaktionen, auch wenn wir alle viel mehr Energie als vorher für die Wahrnehmung aufwenden. Als Teamleiterin erkennt man nicht mehr auf den ersten Blick, wie es einem Mitarbeitenden geht. Und dabei ist diese eine zentrale Aufgabe für agile Leader. In virtuellen Meetings wird die Sprache selbst, mangels vieler nonverbaler Zeichen, entsprechend wichtiger. Wenn die Stimmung im Keller ist, ist der Tonfall ein anderer als wenn alle happy sind. Wie gehen wir damit um? Die Teamleiterinnen verlieren über Kontrolle und Einfluss im virtuellen Sitzungszimmer. Erst wenn sie ihre Macht bewusst teilen, können online produktive Meetings entstehen: Die für die Moderation verantwortliche Person gibt Aufgaben ab, sei es das Zeitmanagement oder das Sicherstellen, dass alle sich an der Diskussion gleichberechtigt und ähnlich lange beteiligen. Dadurch entsteht eine neue Form der Zusammenarbeit im Team, die eine agilere Arbeitsweise fördert.

Willkommen bei mir zu Hause

Was früher auf dem Flur oder vor der Kaffeemaschine besprochen wurde, wird in der agilen Unternehmenskultur in Daily-Stand-ups besprochen. Der spontane Austausch mag zwar wegfallen, dafür nehmen sich die Leute bei kurzen Telefonaten viel mehr Zeit für den persönlichen Austausch. Mehr Privates rutscht umgebungsbedingt mit rein. Durch die gegenseitigen Einblicke via Videobild in die privaten Räumlichkeiten entstehen eine neue Art der Verbindung und von Gesprächsthemen. Wir befinden uns virtuell bei der anderen Person zu Hause und erhalten einen anderen Gesamteindruck des Gegenübers. Vielleicht auch einen ganz Unerwarteten. Steht da etwa ein Sessel von Le Corbusier? Ach, wie niedlich: Der hat eine Katze. Und wo bist du jetzt gerade? Diesen Hintergrund habe ich noch nie gesehen. Das Element Zufall findet seinen Weg in den digitalen Raum. Diese Einblicke sind sehr kostbar! Vielleicht hätten wir diese kleinen Dinge aus dem Leben unser Mitarbeitenden oder Kolleginnen nie erfahren, wären wir nicht im Video-Teammeeting.

Raum und Zeit

Der physische Austausch gewinnt an Bedeutung und bekommt eine andere Qualität. Kolleginnen und Kollegen freuen sich auf den physischen Austausch. Empathie und Zwischenmenschliches erhalten einen neuen Wert in der Teamführung. Sie werden zur neuen Begründung, sich an einem realen Ort zu treffen. Das Stärken dieser sozialen Verbindungen gewinnt an Bedeutung – Apéros und oder Events sind wichtiger denn je, um die Wir-Kultur zu erhalten. Damit rückt die psychologische Sicherheit von Teams weiter in den Vordergrund des Leaderships. Für die einzelnen Mitarbeitenden führt dieses Umdenken in Sachen Homeoffice zu einer gesteigerten Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben.

Empathie und Kennenlernen

Nichtsdestotrotz kann mit der Distanz die Bindung zu den Teammitgliedern loser werden. Die Stimmungen der einzelnen Teammitglieder müssen einzig virtuell aus den einzelnen Gesichtern gelesen werden. Das braucht viel Empathie und will geübt sein. Video-Teammeetings erfordern eine gute Vorstellungskraft und vor allem auch gute Menschenkenntnisse von den Teamleadern. Wie bringen wir die nötige Wertschätzung und Respekt in unsere Meetings? Von Vorteil ist, dass man die Teammitglieder bereits kennt. Somit können wir uns besser in sie hineinversetzen. Ist das nicht der Fall, ist ein Onboarding, ein erstes virtuelles Kennenlernen vor einem Teammeeting empfehlenswert. Denn der Mensch ist und bleibt der zentrale Bestandteil aller Meetings! Hat man als Teamleiterin keinen Teambezug, ist der Aufbau des Vertrauens beinahe ein Ding der Unmöglichkeit. Auch muss sichergestellt werden, dass die Teammitglieder untereinander einen Bezug haben. Denn wo sonst können diese um Hilfe oder Unterstützung bitten? Dies werden sie nur tun, wenn sie Vertrauen in das eigene Team haben.

Planung und Organisation

Es braucht viel Zeit, um die virtuellen Video-Teammeetings neu zu konzipieren und zu planen. Denn Teammeeting ist nicht gleich virtuelles Teammmeeting. Für ein erfolgreiches Gelingen brauchen wir neben einer Verteilung von neuen Rollen wie Timeboxing, Facilitator, Moderatorin oder Tool-Expertin auch auch Hausregeln für den virtuellen Wir-Raum. Ein Beispiel ist das Commitment aller, die Kamera anzustellen. Wichtig für die Vorbereitung aller Teilnehmenden bleibt auch, weiterhin die Agenda im vornherein zu senden. Je besser alle vorbereitet sind, desto besser wird das Meeting. Es gelingt uns nicht mehr, jemanden anzuschauen oder zuzunicken: Das führt zu Missverständnissen. Teammitglieder mit Namen anzusprechen, kann dies verhindern. Oft ist es schwierig abzuschätzen, ob das Meeting ein Erfolg war. Deshalb brauchen Teams eine intensive Feedback- und offene Fragekultur. So gehen alle Teilnehmer mit einem guten Gefühl und vor allem denselben Informationen aus dem Meeting. Hilfreich dazu ist es, im Anschluss ein Protokoll oder eine Zusammenfassung zu senden.

Fazit: Agile Teamleader brauchen eine neue Toolbox

Wie arbeiten Teammitglieder empathisch zusammen, vertrauen einander und ziehen an einem Strick, wenn sie nur über das Interface des Computers in Video-Teammeetings interagieren? Welche Methoden und Instrumente helfen ihnen? Dabei sind es eher unscheinbare Alltagsfragen, die in einen grösseren Kontext gestellt, die Bedeutung einer Wir-Kultur des Teams im virtuellen Raum andeuten.

  • Wie handeln wir, wenn eine Teilnehmerin aus dem Call rausfällt? Wiederholen wir das Gesagte?
  • Wie begrüssen wir das Team? Wenn nicht durch Handshake – mit welchem Ritual?
  • Wie führe ich als Teamleiterin durch das Video-Teammeeting und baue gleichzeitig Vertrauen auf?
  • Wie kann ich die Aufmerksamkeit und die intrinsische Motivation der Teilnehmenden beeinflussen?
  • Und wie erfahre ich, ob und wie ich der Erwartungshaltung der Teilnehmenden gerecht geworden bin?
  • Wie kann ich die Chancengleichheit in Video-Teammeetings gewährleisten?
  • Nicht alle Mitarbeitenden können gleich gut mit Technik oder den schwächeren nonverbalen Signalen umgehen. Wie sicherstellen, dass das Team im virtuellen Wir-Raum sich dennoch austauscht?
  • Wie werden Teamleiter diesen Herausforderungen gerecht, stärken dabei den Zusammenhalt des Teams und schaffen Raum für die gemeinsame Weiterentwicklung?

Diese Fragen und Herausforderungen wollen wir euch beantworten und euch inspirieren: