Facilitative Leadership
Die vernetzende Leadership Kompetenz
Jasmina Ritz, Kristina Roder, Milena Rutz, Orlando Temperli und Mary Villalaz
Was hat ein Pilzrisotto mit Leadership, Facilitation und Netzwerken zu tun? In diesem Essay wird Facilitation als ein Rezept zur Gestaltung von vernetzenden Beziehungen erkundet. Zukunftsfähige Leader:innen nutzen Facilitation als Werkzeug, um optimale Rahmenbedingungen für die firmenübergreifende Zusammenarbeit zu schaffen.
Ein Glas Wein und ein Pilzrisotto – was nach einem gemütlichen Herbstessen klingt, ist gleichzeitig auch die Basis von erfolgreichen Netzwerken. Die Grenze zwischen privaten und professionellen Beziehungen verschwimmt immer mehr: Mit der Person, mit der man heute entspannt über Biodiversität diskutiert, setzt man vielleicht schon morgen ein Projekt um.
Die Analogie reicht noch weiter: So wie unsere Wälder von der fruchtbaren Symbiose zwischen Bäumen und Pilzen leben, so leben auch visionäre Organisationen von der Vernetzung über die eigenen Branchen hinweg. Das unscheinbare Netzwerk, das die Pilze das ganze Jahr über pflegen, kommt saisonal im Herbst zum Vorschein und landet auf unseren Tellern. Ohne die Pilze würde das Ökosystem Wald nicht bestehen, überziehen sie doch im Untergrund die Baumwurzeln mit feinen Pilzfäden, die für einen gegenseitigen Austausch von Nährstoffen und Informationen sorgen. Wie steht es aber um das soziale Netzwerk von Organisationen? Wie vernetzen sich diese untereinander und wie werden entsprechende Verbindungen in verschiedenen Branchen gelebt? Verfügen sie über vergleichbare Fähigkeiten und Fertigkeiten wie die Natur, um ihre Netze zu knüpfen, Informationen zu teilen und sie sinnstiftend zu nutzen?
In der heutigen Ära der Hypervernetzung können sich auch Unternehmen und Organisationen gemäss dem Zukunftsinstitut längst nicht mehr als voneinander unabhängige Einheiten betrachten. War die Netzwerkpflege früher das Hoheitsgebiet des Patrons oder der Firmeninhaberin, so vernetzen sich heute Mitarbeitende aller Hierarchiestufen unaufgefordert und selbstbestimmt. Kann diese Eigendynamik im Sinne des Unternehmens gefördert werden, sodass Netzwerke mehr als die Summe von LinkedIn-Kontakten und gesammelten Visitenkarten sind? Kann Facilitation Menschen für ein gemeinsames Ziel verbinden? Ist Facilitation gar die unverzichtbare Leadership-Kompetenz der Zukunft?
Wir, die Autor:innen dieses Essays, sind überzeugt, dass Facilitation eine (noch) unterschätzte Leadership-Kompetenz ist, die grosse Wirkung in firmenübergreifenden Netzwerken entfalten kann.
Unternehmen in ihrem Kontext betrachten
Wie in der Natur steht auch jede Organisation in einem Beziehungs- und Interaktionsgeflecht aus unterschiedlichsten Akteur:innen: Kund:innen, Lieferant:innen, Mitbewerber:innen, Branchen- und Interessenverbänden, Regulator:innen, Medien oder auch einfach aus der breiten Öffentlichkeit. Marco Iansiti, Harvard-Professor, und Roy Levien, der bislang produktivste Erfinder aller Zeiten, definierten dieses Ökosystem als «lose verbundene Teilnehmende, die zum Zweck der eigenen Wirksamkeit und Überlebens voneinander abhängen». Oder einfach gesagt: ohne Netzwerke keine langfristige Existenz. Um zukunftsfähig zu sein, müssen sich Unternehmen als Teil eines erweiterten Kontextes verstehen.
Während das interne, interdisziplinäre Arbeiten immer selbstverständlicher wird, bleiben die Rahmenbedingungen in der Aussenbeziehung von Unternehmen komplex. Da der Nutzen der externen Vernetzung nicht ultimativ spürbar ist, benötigt das Thema mehr Sensibilisierung. Beim Überwinden der internen und externen Grenzen geht es aber letztlich um dasselbe: Kräfte bündeln, Wissen teilen, Schnittstellen bereinigen, Informationsbrüche beheben, relevante Themen antizipieren, neue Zusammenarbeitsformen ermöglichen und innovative Business-Opportunitäten erkennen.
Ausgangspunkt erfolgreicher Zusammenarbeit über die klassischen Lieferketten hinaus ist in den meisten Fällen eine gemeinsame Motivation oder eine geteilte Herausforderung. Dies kann beispielsweise eine fehlende übergreifende Organisation sein, ein:e Visionär:in, der:die die Einzelteile zu einer neuen Dienstleistung verknüpft, oder eine Geschäftsidee, welche die Bedürfnisse verschiedener Stakeholder:innen abdeckt. Exemplarisch dafür stehen auch die verschiedenen Initiativen unserer interviewten Personen.
Sasha Rosenstein vernetzt über die Plattform Plentii Menschen, Vereine und Kollektive, die Freiwilligenarbeit in unterschiedlichen Bereichen leisten. Das Ziel der Plattform ist es, eine Übersicht über die zahlreichen gemeinnützigen Projekte zu schaffen, ihnen Sichtbarkeit zu verleihen, Spenden zu sammeln und sie administrativ zu unterstützen. Das Berufsnetzwerk Athletes Network, mitinitiiert von Severin Blindenbacher, will den Übergang von Profi-Sportler:innen für die Nachsport-Karriere sicherstellen, indem es Sportler:innen bereits zu Aktivzeiten mit Unternehmen in Verbindung bringt und ihnen den Einstieg ins Berufsleben nach dem Spitzensport erleichtert. Die Geschäftsidee der VillageOffice Genossenschaft, die von Jenny Schäpper-Uster mitgegründet wurde, verfolgt das Ziel, ein schweizweites Netz von Co-Working-Spaces zu etablieren und dabei Unternehmen, Gemeinden, Immobilieneigentümer:innen, lokale Co-Working-Anbieter:innen und Co-Worker:innen zu verbinden und so einen Beitrag zur lokalen Wertschöpfung, Verkehrsentlastung und Steigerung der Lebensqualität zu leisten.
Treibende Kraft dieser Initiativen waren entweder Einzelpersonen oder eine Gruppe von heterogenen Gleichgesinnten. Durch ihr aktiv gepflegtes Beziehungsnetz, dem eigenen Erfahrungsschatz und ihrem persönlichem – oft gemeinnützigen – Einsatz gelang es, die Initiativen zu lancieren, Kompliz:innen zu gewinnen und einen konkreten Mehrwert für alle Beteiligten zu schaffen. In ihrer täglichen Arbeit schlüpfen sie in die Rolle der treibenden Kraft bzw. der:des Facilitator:in: Sie bringen Menschen verschiedener Bereiche zusammen, schaffen ein Bewusstsein für das gemeinsame Anliegen, bauen Hürden ab und etablieren Plattformen für Begegnung und Austausch. Aus diesen Initiativen entstehen wiederum neue Netzwerke und Organisationen, die weitere Bedürfnisse abdecken und Anschlussfähigkeit sicherstellen. Zudem ermöglicht die genutzte Vernetzung, die Zukunft gemeinsam zu gestalten.
Auch wenn Facilitation nicht überall so benannt oder bewusst eingesetzt wird, zeigt sich Facilitation bei unseren interviewten Personen in den unterschiedlichsten Kontexten.
So wird Facilitation bei VillageOffice von Coaches für die Moderation und Gestaltung des Entstehungsprozesses von neuen Co-Working-Spaces und die Einbindung diverser Stakeholder:innen eingesetzt. Sasha Rosenstein von Plentii setzt auf Facilitation als wirksames und verbindendes Werkzeug zum Aufbau von Communities und Plattformen.
Nadja Schnetzler von Generation Purpose und Angela Haas von Creaholic setzen Facilitation mit dem primären Ziel ein, eine bessere Zusammenarbeit zu ermöglichen. Im kreativen Businesskontext von Creaholic, in dem professionelle Erfinder:innen Unternehmen dabei begleiten, Neues zu entwickeln, wird durch die bewusste Facilitation ein Nährboden für Innovation geschaffen. Bei Generation Purpose haben Nadja Schnetzler und Laurent Burst in den letzten Jahren ein Netzwerk aus Purpose-Facilitators aufgebaut, die als externe Facilitator:innen Menschen und Unternehmen dabei unterstützen, sich noch stärker mit ihrem Purpose zu verbinden. Bei Severin Blindenbacher vom Athletes Network und bei Peter Düggeli, Chef Kommunikation im Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten EDA, ist eine bewusste Facilitation noch kein Bestandteil des Arbeitsalltags. Letzterer kreiert Vernetzung durch seine sympathische Art oder nutzt seinen Funktionstitel als Türöffner.
Fast alle interviewten Personen berichten davon, dass sich die Zusammenarbeit durch Facilitation besser anfühlt – leichter und mehr im Flow.
Facilitation ist ein prozessuales Werkzeug, um unterschiedliche Menschen zusammenzubringen und sie durch das Erkunden des gemeinsamen oder geteilten Kontexts miteinander in Beziehung treten zu lassen. Dies ermöglicht, ihre Perspektiven im Hinblick auf ein übergeordnetes, verbindendes Ziel zu integrieren. Facilitation hat das Ziel, es einer Gruppe so einfach wie möglich zu machen, ihre kollektive Kreativität, Erfahrungen und Intuitionen zu etwas Neuem zu verbinden. Facilitation wird so zum Schlüssel für eine gemeinsame Zusammenarbeit und führt Perspektivenwechsel herbei.
Gelebte Facilitation ist also das, was ein Pilz ist – nämlich grossartig. So ist das grösste Lebewesen der Erde nicht etwa ein Baum, sondern ein Pilz! Er erstreckt sich im Untergrund über neun Quadratkilometer, was mehr als 1200 Fussballfeldern entspricht. An der Oberfläche werden die einzelnen Pilze vorübergehend sichtbar – die Tragkraft des Netzwerks ist jedoch weitaus mehr als die Summe der einzelnen Pilzschirmchen.
Damit auch Facilitation eine entsprechende Wirkung entfalten kann, ist es elementar, Fragen zu stellen und Raum für Meinungen, Gefühle und Ideen zu schaffen. Doch gilt hier das Sprichwort «Wer fragt, der führt» noch? Bedeutet dies gar, dass Facilitator:innen automatisch auch Leader:innen sind? Oder in welcher Beziehung stehen Facilitation und Leadership?
Facilitation als Leadership-Kompetenz
Sasha Rosenstein, der Netzwerk-Architekt von Plentii, beantwortet diese Frage so: «Facilitation geht ohne Leadership, doch Leadership nicht ohne Facilitation.»
Leadership ist die Fähigkeit, andere für anspruchsvolle Zukunftsvorstellungen zu begeistern. So kommt Organisationsberaterin Anke Lüneburg in ihrem Buch «Auf dem Weg zur Führungskraft: Die innere Haltung entwickeln» zu dem Schluss: Die geteilte Begeisterung fördert sowohl die Identität als auch die Leistung für gemeinsame Aufgaben und zum Erreichen übergeordneter Ziele. Gary Yukl, Professor in Management der Albany Universität, geht sogar noch einen Schritt weiter, indem er Leadership als «process of influencing others to understand and agree about what needs to be done and how to do it, and the process of facilitating individual and collective efforts to accomplish shared objectives», beschreibt.
Nun könnte man es sich einfach machen, indem man von Leader:innen die Bildung von Netzwerken fordert. Oder aber sie schaffen Rahmenbedingungen, damit Mitarbeitende selbstbestimmt, über hierarchische und organisationale Grenzen hinweg, wertvolle Beziehungen knüpfen können und so das Netzwerk multidimensional wachsen kann.
Diese individuelle Vernetzung erschüttert nicht selten die Machtstrukturen in Organisationen und generiert Irritation. Doch eine Alternative zu diesem Kontrollverlust gibt es gemäss Prof. Peter Kruse nicht, denn Netzwerke lassen sich nicht kontrollieren. Vielmehr schaffen Leader:innen Voraussetzungen, damit Vernetzung möglich wird und Informationen fliessen. Das kann durch ihre Haltung, das Schaffen von Facilitation-Rollen oder auch die Anwendung entsprechender Werkzeuge geschehen.
Während beispielsweise in agileren Organisationsbereichen des Migros-Genossenschafts-Bund Facilitation in expliziten Rollen zu finden ist (bspw. Agile Coaches, Release Train Engineers), wird der Facilitation in anderen Organisationen keine explizite Rolle zugeordnet. Dies impliziert, dass Facilitation auch unbewusst (intuitiv) angewendet wird.
Wie bewusst Facilitation angewendet wird, ist fast genau so wenig erforscht wie der Informations- und Ressourcenaustausch bei den Pilzen. So verbünden sich die Pflanzen teilweise, um Kohlenstoff auszutauschen oder auch um gemeinsam Blattläuse abzuwehren. Ob dies aus Kooperationswille oder aus Rivalität geschieht (gemeinsam gegen die anderen) ist unklar – klar ist aber, dass ohne diesen intuitiv angewendeten Austausch nicht nur die Pilze, sondern auch ihr Umfeld geschwächt würde.
Die Interviews haben ergeben, dass eine bewusste Prozessgestaltung Raum schafft für Menschen und ihre Anliegen. Ist Facilitation Teil des Führungsverständnisses, werden unterschiedliche Perspektiven in die gemeinsame Gestaltung von Produkten, Prozessen oder Strategien einbezogen. Nadja Schnetzler hat die Erfahrung gemacht, dass geschickte Facilitation die Leadership-Qualitäten von allen zum Vorschein bringt. Damit dies gelingt, braucht es eine offene Haltung der Führungsperson gegenüber Facilitation und ihrer situativ und kontextuell strategischen Wirkkraft. Wie lässt sich die Wirkkraft von Facilitation auf Interaktionen zwischen Organisationen übertragen und daraus einen Mehrwert für alle Beteiligten generieren?
Facilitation als Mittel der firmenübergreifenden Vernetzung
In den Interviews fällt auf, dass Facilitation in der organisationsübergreifenden Vernetzung meist über eine separate Organisationsform stattfindet, sei dies als Genossenschaft (VillageOffice), Verein (Plentii) oder zumindest als Interessengemeinschaft (Generation Purpose). Damit verbunden entstehen eigene Markenauftritte mit Aussenwirkung über Websites, Social Media Kanäle, Broschüren oder Sponsoring-Dossiers.
Persönliche Erfahrung unterstreichen diese Erkenntnis. So ging die Lancierung der Initiative zur kantonsübergreifenden Standortförderung «Limmatstadt – von Baden bis Zürich», von einer Immobilienentwicklerin aus. Die Organisation facilitiert heute die Vernetzung von Unternehmen, Politik und Bevölkerung, schafft Kommunikationsplattformen, initiiert gemeinsame Projekte und trägt damit zur Imagepflege und Identifikation bei. Für den Erfolg der Initiative waren drei Faktoren ausschlaggebend: eine sinnstiftende Vision, Glaubwürdigkeit der Organisationsträger:innen und Schaffung einer unabhängigen Organisationsform. Erst mit der Gründung einer eigenständigen Gesellschaft gelang es, eine breite Abstützung zu gewinnen. Jasmina Ritz, Geschäftsführerin Limmatstadt AG, beschreibt ihre Wahrnehmung als Facilitatorin so, dass sie durch ein weitverzweigtes Netzwerk, Präsenz in der Region und einem offenen Ohr Menschen und Projekte miteinander verknüpfen kann. Wichtig sei dabei der sichtbare Mehrwert, der erzielt wird; sei es ein Velotag für die Bevölkerung, ein regionales Branding oder die Ansiedlung von Firmen. Diese Beispiele zeigen: Geteilte Ziele und Aufgaben sowie eine gemeinsame Plattform schaffen die Grundlage für eine Zusammenarbeit über organisationale Grenzen hinweg.
Immer mehr Initiativen und Unternehmen fassen horizontale Zusammenarbeitsformen vom Lieferanten bis zum Endkunden ins Auge. Es wäre gemäss Prof. Peter Kruse jedoch ein Irrglaube, die Bildung von Netzwerken mit einer Synergienutzung gleichzusetzen. Der Mehrwert von Netzwerken liegt im Zusammenbringen von Menschen, einem offenen Austausch von Informationen und dem so entstehenden Wissen. Eine Vernetzung um des Vernetzungswillens reicht nicht aus. Hier kommt die Facilitation zum Zug, welche durch die geschickte Prozessgestaltung themenbezogene Interaktionen fördert und so ein Fundament für das gemeinsame Experimentieren schafft. Facilitation ermöglicht es, kollektive Abhängigkeiten im geteilten Kontext zu explorieren. In der Zusammenarbeit können die Unbekannten entdeckt und gemeinsam gestaltet werden. Facilitation verbindet nicht linear, sondern multidimensional und erschafft so ein kollektives Bewusstsein des gemeinsamen und geteilten Kontextes in dem sich die einzelnen Unternehmen und Akteur:innen bewegen.
Es kann also als Führungsaufgabe verstanden werden, heterogene Verbindungen aufzubauen, um vernetzte Systeme zu gestalten. Aus diesen schöpfen einzelne Organisationen, ganze Branchen und unterschiedlichste Stakeholder durch aktives Mitwirken einen Mehrwert. Doch was bedeutet das für zukünftige Leader:innen? Lässt sich Facilitation lernen und wenn ja wie?
Facilitation – eine erlernbare Kunst?
Zwischenmenschliche Interaktionen bilden den Kern der Zusammenarbeit. Um uns selbst wahrzunehmen, brauchen wir andere Menschen, in denen wir uns spiegeln und entdecken können. In diesen Beziehungen zu anderen werden die verbindenden Elemente und Grenzen immer wieder neu ausgehandelt.
Das methodische Handwerk von Facilitation ist erlernbar. Die Anwendung ist jedoch nur überzeugend, wenn die notwendigen persönlichen Voraussetzungen des:r Facilitators:in gegeben sind. Hierzu zählt eine offene Grundhaltung, ein geschärfter Sinn für Kontext, die Bereitschaft, sich persönlich weiterzuentwickeln und gemeinsam wachsen zu wollen. Eine grosszügige Haltung, authentisches und nicht berechnendes Verhalten ermöglichen Begegnungen auf Augenhöhe.
Um das Handwerk zu beherrschen, reicht es nicht, nur die methodischen Fertigkeiten und Disziplinen der Facilitation zu trainieren. Die Auseinandersetzung mit Theorie und Anwendung systemischer Organisationsentwicklung sowie der Anwendung von Persönlichkeitsdiagnostik sind selbstverständlich. Erst dieses ganzheitliche Wissen gepaart mit ausgeprägter Empathie ermöglicht das Gestalten von Beziehungen in anspruchsvollen Dynamiken.
Angewandte Facilitation kombiniert unter anderem Elemente von Coaching, Mediation und Moderation. Coaching ermöglicht das Einnehmen neuer Perspektiven, zeigt Chancen und Risiken auf, durch Kernfragen und ermöglicht Verhaltensänderungen (Stanier Michael Bungay). Mediation, oft in Konfliktsituation eingesetzt, entfaltet innerhalb der Facilitation in gemeinsamen, zukunftsgerichteten Themen Wirkung. Moderation ist ein wesentlicher Teil von Facilitation und beinhaltet Koordination, Struktur, Ablauf und Durchführung inklusive Zeitmanagement. Eine weitere wesentliche Fähigkeit eines:r Facilitators:in ist die Kunst, das Gesagte und Gefühlte mit aussagekräftigen Metaphern oder Illustrationen zu visualisieren und trägt so zur Ergebnissicherung und -Qualität bei. Unsere Interviewpartner:innen betonten nebst den bereits erwähnten Fertigkeiten, dass das Schaffen von einladenden Mitwirkungsgelegenheiten die Kunst der Facilitation ausmacht. Am Ende geht es darum, gemeinsam ins Machen zu kommen, sich miteinander in Beziehung zu setzen und aus geteilten Erinnerungen neue Zukunftsbilder entstehen zu lassen.
Doch Facilitation stösst auch an Grenzen. Neben dem Entscheid, Facilitation bewusst einzusetzen, braucht es von allen Beteiligten die Bereitschaft, sich gemeinsam auf einen ergebnisoffenen Prozess einzulassen. Facilitation sorgt dafür, dass sich die Beteiligten auf die Inhalte, ihre Gefühle, ihre Gedanken und auf die Zukunft konzentrieren können. Facilitation hat somit eine Wirkkraft, die grösser ist als die/der Einzelne sie erfassen kann, bildet jedoch keine Garantie für den Erfolg. Facilitation erleichtert den Findungsprozess für die gemeinsame Ziellösung, nicht aber deren Operationalisierung.
So ist der Einsatz dedizierter Facilitation von einer Führungspersönlichkeit nicht in jeder Situation ratsam. Es kann hilfreich sein, die Rolle der Facilitators, auch zur strategischen Netzwerkfähigkeit, erfahrenen Facilitator:innen zu überlassen, die nicht Teil der Lösung sind, jedoch die notwendige Akzeptanz der Beteiligten geniessen.
Fazit: Zukunftsfähige Unternehmen brauchen facilitative Leader:innen
Zusammenfassend lässt sich erkennen, dass Facilitation Mehrwert für Organisationen und deren Kontext schafft. Menschen mit ihren unterschiedlichen Perspektiven werden über organisationale Grenzen hinweg mit Facilitation sinnstiftend und im Flow zusammengebracht.
Leader:innen können Facilitation als Werkzeug nutzen, um optimale Rahmenbedingungen für die Zusammenarbeit zu schaffen. Der Seite «Zukunft der Arbeit» der Bertelsmann Stiftung zufolge bedeutet Leadership heute also, nicht mehr alleine im Rampenlicht stehen, sondern auch hinter der Bühne unterstützend, vernetzend tätig zu sein und so den Visionen die Hauptrolle zu geben.
Dadurch, dass Leader:innen die Notwendigkeit der Verbindung von Menschen und Informationen über organisationale Grenzen hinaus erkennen, geschieht das Vernetzen von Unternehmen nicht mehr zufällig oder beiläufig bei Apéros. Die Kontakte der einzelnen Mitarbeitenden werden gebunden und strategisch verankert – miteinander vernetzte Unternehmen werden so wie Pilze zur Lebensader ganzer Ökosysteme.
Kristinas Risottorezept | Basisrezept für gelebte Facilitation |
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● 300 g Pilze, gemischt (Champignons, Pfifferlinge, Steinpilze) ● 200 g Risottoreis ● 2 Schalotten ● 1 Bund Petersilie ● 1 Zehen Knoblauch ● Etwas Olivenöl ● 100 ml oder mehr Weisswein ● 400 ml Gemüsebouillon | ● Eine Person, die sich der Facilitation annimmt ● Personen, die dem Prozess offen gegenüberstehen ● Eine Unternehmenskultur mit hoher psychologischer Sicherheit ● Ein offenes Mindset der Führungskraft ● Der Wille von allen, gemeinsam die Zukunft gestalten zu wollen |
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Ressourcen
Bruch, H., Krummaker, S. & Vogel, B. (2006): Leadership – Best Practices und Trends. Springer Gabler, Berlin.
Bruch, H. (2020): Leadership in der Bewährungsprobe. [Video] HSG Insights. In: YouTube. URL https://www.youtube.com/watch?v=aICeorD0X9w [09.06.2021].
Iansiti, M & Levien, R. (2004): Strategy as Ecology. Harvard Business Review. URL: https://hbr.org/2004/03/strategy-as-ecology [09.06.2021].
Kruse, P. (2007): Über die Kreativität. [Vortrag] In: YouTube. URL: https://www.youtube.com/watch?v=oyo_oGUEH-I&t=3s [09.06.2021].
Kruse, P. (2010): Wie die Netzwerke Wirtschaft und Gesellschaft revolutionieren. [Vortragsaufzeichnung] Re:publica auf YouTube. URL: https://www.youtube.com/watch?v=ryiuuUKQJy0 [09.06.2021].
Lüneburg, A. (2019): Auf dem Weg zur Führungskraft: Die innere Haltung entwickeln. Springer, Berlin.
Mock, K. (2021): Das weltgrösste Lebenswesen. In ARD-Sendung Planet Wissen. URL: https://www.planet-wissen.de/gesellschaft/lebensmittel/gift_und_speisepilze/pwiedasweltgroesstelebewesen100.html [07.06.2021].
Seifert, J. W. (2020): Facilitative Leadership. In: Bertelsmann Stiftung, Zukunft der Arbeit. URL: https://www.zukunftderarbeit.de/2020/04/27/facilitative-leadership/ [09.06.2021].
Spectrum Seminare (2019): Der Facilitator – Was macht ein Facilitator? Warum? Wie? [Video] In: YouTube. URL: https://www.youtube.com/watch?v=yJ10n_Tg_Nw [07.06.2021].
Stanier, M.B. (2016): The Coaching Habit – Reden sie weniger und fragen sie mehr. Vahlen, München.
Yukl, G. (2006): Leadership in Organizations. Pearson, Upper Saddle River.
Zukunftsinstitut (2021): Konnektivität als Treiber der Netzwerkgesellschaft. URL: https://www.zukunftsinstitut.de/dossier/megatrend-konnektivitaet/ [09.06.2021].