Leadership Essays 2018

Bewusst lateral führen – PEAT

David Dudler, Dinis Meier, Patrizia Kaufmann, Rémy Pia

Die vorliegende Arbeit widmet sich dem Thema der lateralen Führung. Ohne hierarchische Führungsrolle zielt der Führungsschwerpunkt vorwiegend darauf ab, Vertrauen zu schaffen und ein gemeinsames Ziel zu definieren.

Stolpersteine beim lateralen Führen

Führungspersönlichkeiten in lateralen Strukturen haben die Herausforderung, eine klare Kommunikation zu fördern und die Arbeitsqualität ohne «klassische Benefits» hochhalten zu können. In einem ersten Austausch zu den alltäglichen Erfahrungen als Teamlead in lateraler Führungsposition ist das Autorenteam auf ähnliche Herausforderungen gestossen – und das trotz Branchenunterschied. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, unsere Projekterfahrung methodisch zu untersuchen und ein bestmögliches Tool zu entwickeln, welches Teams über unterschiedliche Disziplinen hinweg bei der Herausforderung von lateralen Führungsthemen unterstützt. Wir stellten die These auf, dass die Motivation im Team in einem direkten Zusammenhang mit den Parametern Projektvorgaben, räumliche Gegebenheiten, Stakeholder- und Teambeziehungen in Verbindung steht. Aufgrund des Austauschs untereinander haben wir uns dazu entschieden, dies anhand unserer Führungserfahrung zu untersuchen. Unsere Erfahrungen stammen aus den Bereichen Innenarchitektur, Softwareentwicklung, Maschinenbau und Luxusgüterindustrie als Projektleiter Webdesign und Umsetzung, User Experience Lead, Innenarchitektin/Head of Design Gastronomy und Design Manager.

Vertiefung durch methodische Analyse

Vorgehen

Wir haben uns der Aufgabe empirisch-analytisch genähert, indem wir eigene umgesetzte Projekte in vergleichbare Projektphasen unterteilt und diese nach den oben genannten Parametern untersucht haben. Für die Analyse haben wir eine Methodik entwickelt, die wir fortan Phasenregler nennen. Der Phasenregler ist in vier Projektphasen aufgebaut: Briefing, Planung, Konzept und Umsetzung. Zusätzlich haben wir in der Einleitung auf Projektebene die Faktoren Projektziel und Zeithorizont beschrieben sowie in der Ausgangslage (vor dem Projektstart) die Softfaktoren Motivation und Vertrauen bewertet.

Wir haben vier Projekte aus unseren individuellen Branchen und Berufsfeldern nach den beschriebenen Parametern im Detail analysiert und ausgewertet. Für die Bewertung der Phasen wurden folgende, für uns relevanten Faktoren gegenübergestellt:

Projektvorgaben

  • Detaillierte Projektvorgaben – Offener Lösungsweg
  • Einzelarbeit – Gruppenarbeit
  • Geplant – Spontan

Räumliche Gegebenheit

  • Physisch – Virtuell
  • Sitzungszimmer – Neue Räume

Stakeholder

  • Misstrauen – Vertrauen

Team

  • Frustriert – Motiviert
  • Misstrauen – Vertrauen

Um die Bewertung messbar zu machen, wurde eine Skala von –3 bis +3 eingerichtet, wobei der Wert Null neutral zwischen den Gegensätzen steht. Der Ausschnitt des Phasenreglers macht dies sichtbar.

Erste Erkenntnis: Big Data vs. Human being

In einem ersten Schritt haben wir die Methode an sich untersucht. Die Auswertung hat gezeigt, dass es schwierig ist, die verschiedenen Projekte aus diesen sehr unterschiedlichen Branchen und Berufsfeldern zu vergleichen. Die grafische Darstellung hat keine klaren Erkenntnisse hervorgebracht. Im zweiten Schritt haben wir vier Behauptungen gemacht, um einen klaren Fokus auf bestimmte Datensätze zu erhalten und diese vergleichbar zu machen. Der Datensatz wurde im Detail ausgewertet.

Behauptung 1
Je selbstbestimmter der Lösungsweg ist, desto motivierter ist das Team. Je eingeschränkter der Lösungsweg ist, desto frustrierter ist das Team.
Das Ergebnis zeigte, dass ein selbstbestimmter Lösungsweg die Teammotivation positiv beeinflusst, wogegen ein eingeschränkter Lösungsweg sich als negativer Einfluss auf die Teammotivation herausstellt. Es wird positiv bewertet, wenn das Team selbstbestimmt und aus eigener Initiative heraus arbeiten kann. Dabei sollte beachtet werden, dass die Selbstbestimmung nicht überstrapaziert wird. Eine Laissez-faire-Haltung wäre dann kontraproduktiv. Als Teamlead ist es wichtig, einen klaren Rahmen zu schaffen. Über das Abholen von Erwartungen kann der Rahmen genauer definiert werden.

Behauptung 2
Vertrauen wirkt stabilisierend auf die Motivation.
Diese These wurde durch die von uns erhobenen Daten bestätigt. Ein starkes Teamvertrauen wirkt haltgebend und reduziert negative Effekte von aussen, wie zum Beispiel hoher Zeitdruck. Als Teamlead ist es wichtig, ein starkes Vertrauensverhältnis zu schaffen.

Behauptung 3
Je mehr Vertrauen vom Stakeholder entgegengebracht wird, desto offener ist der Lösungsweg.
Die These wurde durch die von uns erhobenen Daten nicht bestätigt. Das Vertrauensverhältnis zum Stakeholder hat erstaunlicherweise keinen direkten Zusammenhang mit einem offeneren Lösungsweg.

Behauptung 4
Je motivierter das Team ist, desto mehr Vertrauen hat es. Je unmotivierter das Team ist, desto weniger Vertrauen hat es.
Die These wurde durch die von uns erhobenen Daten nicht bestätigt. Eine hohe Motivation führt nicht automatisch zu einem stärkeren Vertrauen.

Soziale Kompetenz als Influencer der Motivation

Die Methode des Phasenreglers hat uns geholfen, eigene Erfahrungen messbar zu machen und zueinander in Bezug zu stellen. In der qualitativen Diskussion jedoch haben wir als Autorenteam erkannt, dass alle entscheidenden Faktoren, welche die Motivation positiv beeinflussen können, auf die zwei Hauptthemen Vertrauen und Erwartung zurückzuführen sind. Für Führungspersönlichkeiten in lateralen Strukturen ist es entscheidend, genau diese frühzeitig einordnen und steuern zu können, da sie ohne klassische Benefits die Stimmung im Team und die Qualität der Arbeit hochhalten müssen. Zu beachten ist, dass bei jedem Start einer neuen Projektphase die Parameter neu bewertet werden. Im Mikrokosmos eines Teams kann sich der Führungsstil je nach Projektphase ändern. Aus der Erarbeitung des Phasenreglers hat sich die Erkenntnis ergeben, dass bei hohem Vertrauen zwischen Mitarbeiter und Führungsperson auch direktive Anweisungen auf Verständnis stossen. Ziel ist es, das Verständnis im Team durch klare Kommunikation der aktuellen Projektanforderungen zu verstärken und so eine Akzeptanz für einen wechselnden Führungsstil zu schaffen.

Das Vertrauen kann gefördert werden, wenn die Mitarbeiter ihre Kompetenz leben, ihre Arbeitsweise bestimmen und den Arbeitsort sowie die -zeit selbstverantwortlich wählen dürfen. Vertrauen entsteht, wenn Kompetenz gelebt und erlebt werden darf und die beruflichen Fähigkeiten jedes Einzelnen anerkannt werden.

In unserem Autorenteam haben wir festgestellt, dass unterschiedliche Erwartungen in Bezug auf die Arbeitsweise vorhanden sein können. Beispielsweise kann das Alter von Personen einen starken Einfluss auf das Verständnis und die Akzeptanz von digitalen Lösungen haben, was zu Unverständnis, Misstrauen und mitunter zu Frustration führen kann. Diese Voraussetzungen sollten in der Projektplanung berücksichtigt werden, das Team dafür sensibilisiert und Zeit für allfällige Schulung und Aufklärung berücksichtigt werden.

Anhand der Erkenntnisse haben wir als Autorenteam folgendes Fazit: Durch eine kontinuierliche Kommunikation können die Erwartungen abgestimmt werden, was zu Klarheit führt und Vertrauen schafft.

Es hat sich gezeigt, dass die Methodik des Phasenreglers zu detailliert und aufwändig ist, um im operativen Alltag angewendet zu werden. Benötigt wird ein einfaches Tool, welches Teamleads über unterschiedlichen Disziplinen hinweg bei der Bewältigung von Projekten unterstützt.

Project-Phase Extended Awareness Tool PEAT

Das vom Autorenteam entwickelte Tool unterstützt Teamleads, um die Motivation im Projektteam hochzuhalten.

Wir nennen das Tool PEAT
Project-Phase
Extended
Awareness
Tool

PEAT dient als Ergänzung zu einem fachlichen Briefing, schafft ein vertieftes Projektverständnis und hilft den Führungspersönlichkeiten in lateralen Strukturen die Projektphasen optimal steuern zu können. Es ist entscheidend, die «emotionalen» Werte regelmässig, jedoch spätestens bei Projektphasenbeginn abzufragen, aufzuzeigen und, wenn nötig, Massnahmen zu ergreifen, um diese positiv zu beeinflussen. Im Zentrum steht der Anspruch, die Teammotivation für das entsprechende Projekt über alle Phasen hinweg hochhalten zu können. Hierbei wird der Wirkungszusammenhang zwischen kontinuierlicher Kommunikation und dem regelmässigen Abfragen von Erwartungen dargestellt.

Wir sehen als Möglichkeit, dass Teamleader das Tool eigenständig für sich oder als Grundlage für einen Workshop mit dem Team anwenden. Neben den vier Einflussfaktoren bezüglich Motivation stellen wir dem Leader eine Auswahl von helfenden Massnahmen und Hinweisen zur Steigerung des jeweiligen Faktors zur Verfügung. Diese Hinweise und Massnahmen sind im äusseren Kreis dargestellt. Die Liste der Massnahmen hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie sollte aber für Softfaktoren sensibilisieren, als Inspiration dienen und kann beliebig ergänzt werden.

Die vorliegende Arbeit zeigt Möglichkeiten auf, wie man die Motivation in lateral geführten Teams hochhalten kann. Die Haupterkenntnis dabei ist, dass die Einflussfaktoren Vertrauen und Erwartung eine wesentliche Rolle spielen. Der Weg über die Methodik des Phasenreglers hat uns geholfen, die Grundlagen zu erarbeiten, um das Tool PEAT zu entwickeln. PEAT kann Führungskräfte von lateral geführten Teams im Alltag unterstützen.