Leadership Essays 2019

Empowerment Eats Robots For Breakfast

Roger Erdt, Nadja Furrer, Christine König, Philip Meier, Julie Pulfer, Thierry Rietsch

Der unaufhaltsame Fortschritt der Digitalisierung bringt Technologien hervor, welche Aufgaben schneller und besser erledigen können als der Mensch. Doch auch Menschen, deren Jobs angesichts dieser Entwicklungen gefährdet sind, haben eine Zukunft: Sie müssen jedoch befähigt werden, ihre Rolle selbständig den neuen Gegebenheiten anzupassen und die Transformation durch eigene Entscheidungen aktiv mitzugestalten. Eine Handlungsanlage stellt hier Empowerment dar. In dieser breiten Thematik fokussieren wir in unserem Essay auf das spezifische Role Empowerment. Wir sind der Meinung, dass durch Role Empowerment bereits in kleinen Schritten und in kleinem Rahmen viel bewegt werden kann und dass es mehr denn je Vorgesetzte braucht, die sich dieser Leadership-Herausforderung stellen und ihre Mitarbeiter «empowern».

Damit Role Empowerment erfolgreich ist, gilt es auf den wichtigsten drei Grundvoraussetzungen aufzubauen: Mitarbeitende müssen wollen, Aufgaben sollten neu definiert und Unternehmens- und Mitarbeitenden-Werte in Einklang gebracht werden.

Als Starthilfe für Vorgesetzte haben wir das «Role Empowerment Log» entwickelt. Dieses hilft in einem kollaborativen, iterativen Prozess, die Entscheidungskompetenz von Mitarbeitenden zu stärken und sie zunehmend autonom entscheiden zu lassen.

Die Zukunft: von Robotern bestimmt?

Wir schreiben das Jahr 2027 und erleben eine Episode aus Nicolas Leben. Sie 44 Jahre alt, Mutter zweier Kinder und tätig als Culture Operations Manager in einer Multimedia-Agentur. Nach langer Zeit steht Nicola wieder einmal ein wichtiger Banktermin bevor.

Nicola will mit ihrer Kundenberaterin die Möglichkeit einer Hypothek besprechen. Das Haus ihrer kürzlich verstorbenen Tante zu übernehmen, war schon lange ihr Traum, der aber nicht ohne Aufnahme eines grösseren Kredits machbar ist. In einer Bankfiliale war sie schon lange nicht mehr, denn üblicherweise erledigt sie alle Geschäfte online. Aber diese grosse Entscheidung will sie nicht ohne Beratung durch eine Expertenstelle fällen. Sie ist etwas nervös vor der Besprechung. Beim Betreten der Filiale ist unübersehbar, dass sich einiges verändert hat. Einen Schalter oder Tresen sucht Nicola vergebens. Stattdessen tippt sie auf einem Bildschirm ihren Namen ein. Ein Iris-Scan erfolgt, um sie eindeutig zu identifizieren. Da hört sie eine metallische Stimme hinter sich. Erstaunt dreht sie sich um und entdeckt ein kleines Etwas auf zwei Rädern. Der Roboter stellt sich als Paul vor, begrüsst Nicola mit Vor- und Nachnamen und bittet sie, ihm zu folgen. Etwas irritiert folgt sie dem Roboter in einen kleinen und hellen Raum, das vermutlich das Besprechungszimmer ist.
Story A Story B
«Was kann ich für Sie tun?», fragt Paul Nicola.

«Es geht um dieses Haus …», beginnt Nicola zu erklären. «Wie lautet die Adresse?», will Paul wissen.

Nicola ist etwas unwohl in Anbetracht der ungewohnten Situation, aber da kommt ihre langjährige Kundenberaterin Frau Agosti durch die Türe. «Herzlich willkommen, schön Sie wieder einmal zu sehen!» Sie begrüsst Nicola mit einem festen Händedruck und strahlt sie an. Die beiden unterhalten sich über ihre etwa gleichaltrigen Kinder, bis Nicola schliesslich beginnt, Frau Agosti ihr Vorhaben zu unterbreiten.

«Wo befindet sich die Liegenschaft denn?», fragt Frau Agosti.

Kaum hat Nicola die Adresse genannt, werden Bilder des besagten Hauses auf eine Wand des Besprechungszimmers projiziert. Es folgen einige Eckdaten zu Fläche, Baujahr und Ausbaustandard.
«Gratulation, Sie können sich das Haus kaufen, die Tragbarkeit ist gegeben!», jubelt Paul Nicola zu. «Ja, danke, das wusste ich bereits», entgegnet Nicola. Paul stösst so etwas wie ein verwundertes «Hm» aus. «Dass das machbar ist, wusste ich schon, dennoch bin ich mir nicht sicher, ob es für mich sinnvoll ist, einen so hohen Kredit aufzunehmen.»

Paul rechnet Nicola vor, mit welcher Wahrscheinlichkeit sich der Wert des Hauses in den kommenden 20 Jahren steigern wird. Ebenso zeigt er ihr eine Grafik ihres stetig steigenden Einkommens seit Nicolas Beginn ins Arbeitsleben – und wie sich dieses voraussichtlich weiter steigern wird. Nicola ist beeindruckt und etwas beklommen gleichermassen. Trotz der klaren Datenlage fällt es ihr schwer, sich zu einer Entscheidung durchzuringen.

«Vielen Dank für Ihre Ausführungen, Paul. Ich werde das gerne nochmals mit meinem besten Freund diskutieren.» «Sehr gern geschehen», meint Paul. «Wir sind jederzeit für Sie da.»

Frau Agosti führt Nicola durch die Präsentation. Sie erklärt ihr die Vorteile sowie die Risiken einer Hypothek dieser Grössenordnung. Sie untermalt ihre Argumente mit verschiedenen auf Nicolas Situation zugeschnittenen Statistiken.

Nicolas persönliche finanzielle Situation und Lebensumstände scheint sie in- und auswendig zu kennen. Beeindruckend, nach all den Jahren seit dem letzten Besuch…

«Alles in allem kann von einer sehr sinnvollen Investition ausgegangen werden», versichert Frau Agosti und erzählt Nicola, welche Faktoren für sie selber vor einigen Jahren ausschlaggebend für einen Kaufentscheid waren.

Tatsächlich scheint nichts mehr gegen eine Vertragsunterzeichnung zu sprechen. Frau Agosti reicht Nicola den schweren Füller mit dem Bank-Emblem, an den sich Nicola noch von früheren Vertragsabschlüssen erinnern kann. Die beiden verabschieden sich herzlich.

Auf dem Weg zum Ausgang entdeckt Nicola ein bekanntes Gesicht. «Frau Agosti, sind Sie das?» Es ist ihre frühere Kundenberaterin. Sie ist dabei, die Rahmen der Bildschirme im Eingangsbereich abzustauben. Sie lächelt Nicola etwas verlegen an. Beschwingt verlässt Nicola die Bank und kann es kaum erwarten, ihren besten Freund vom grossen Schritt zu berichten. Auf dem Weg zum Ausgang verabschiedet sich auch Paul. «Alles Gute,» ruft er Nicola zu, «und bis zum nächsten Mal.» «Auf bald Paul», ruft auch Nicola.

 

8 Jahre zuvor… Frau Agosti gehört zur letzten Garde Bankangestellter, die eine klassische Banklehre absolvierten und sich im Bereich der Kundenberatung konstant hochgearbeitet haben.
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Über Jahre hinweg spürt Frau Agosti, dass Veränderungen in der Branche im Gang sind, kann diese aber nicht wirklich einordnen. Die vielen neuen Technologien und Fachausdrücke machen ihr Angst. «Das ist etwas für die Jungen», denkt sie. Da sie für ihre Arbeit immer gelobt wurde, hofft sie, diese noch lange wie gewohnt ausüben zu können. «Mich wird das schon nicht betreffen, denn es kennen mich ja alle. Mich kann man nicht einfach so ersetzen», sagt sie sich. Frau Agosti spürt, dass etwas in der Luft liegt, als sie von ihrer Vorgesetzten ins Sitzungszimmer berufen wird. Seit einer Weile gibt es Anzeichen für einen bevorstehenden Umbruch. Frau Agosti ist nicht wohl beim Gedanken daran, denn sie mag Veränderung nicht besonders. Ihr Bauchgefühl täuscht sie nicht. Erst wirft ihre Chefin mit Begriffen wie «Automatisierung», «AI» und «perpetual disruption» um sich – Frau Agosti zieht sich der Magen zusammen. Die Vorgesetzte fährt mit konkreten Beispielen davon fort, welche Auswirkungen aktuelle Entwicklungen auf ihr Arbeitsfeld haben werden. Doch dann erklärt die Chefin auch, weshalb Frau Agostis Kompetenzen gerade jetzt umso wichtiger werden. Sie erarbeiten gemeinsam eine Auslegeordnung von Frau Agostis Fähigkeiten und deren Einsatzmöglichkeiten.
Eines Tages wird sie von ihrer Vorgesetzten ins Sitzungszimmer gerufen. Ihr wird mitgeteilt, dass der Bereich Kundenberatung neu ausgerichtet und gestrafft wird. Der Bereich wird «digitalisiert». In den nächsten Jahren entwickelt sich Frau Agosti laufend weiter. In regelmässigen Abständen halten sie und ihre Vorgesetzte in einem «Role Empowerment Log» fest, welche Eigenschaften Frau Agosti auszeichnen und welche Fähigkeiten ausgebaut werden sollen, um ihre Entscheidungskompetenzen zu stärken und um proaktiv auf technologische Entwicklungen einzugehen.
Frau Agosti versteht nicht recht, bis ihre Vorgesetzte weiter ausführt: «Wir können Ihnen allerdings eine alternative Beschäftigung anbieten …» Heute ist Frau Agosti das Gesicht, welche viele Kunden mit der Bank identifizieren. Bei wichtigen Entscheidungen steht sie ihnen persönlich zur Seite und kann sich dabei die Vorteile der digitalen Welt zu Nutze machen.

Digitalisierung: Roboter vs. Mensch?

Was wir in der Bankfiliale der Zukunft erlebt haben, ist ein Resultat der durch den technologischen Fortschritt getriebenen Digitalisierung. Fakt ist, dass uns die künstliche Intelligenz Möglichkeiten gibt, mit Daten zu arbeiten und damit Kundenverhalten zu analysieren, wie dies durch Menschen alleine nie erreichbar wäre. Daher ist der Vormarsch der Roboter auch so rasant – es ist eine unumkehrbare Entwicklung der modernen Gesellschaft.

In dieser neuen, digitalisierten Welt ist alles im Fluss. Die einzige Konstante ist die Veränderung. Es entwickeln sich immer neuere Formen der Zusammenarbeit zwischen Menschen und Robotern. Wenn sich die Rollen der beiden Akteure konkurrenzieren, kommt man schnell zur Auffassung, dass der technologische Fortschritt Jobs gefährdet. Dies ist insbesondere der Fall, wenn es um Tätigkeiten geht, die von Robotern besser und schneller erledigt werden können. Jobs mit hochwertigeren Aufgaben oder Jobs, die sich umgestalten lassen, und in welchen sich die Menschen selbständig weiterentwickeln können, sind weniger gefährdet.

Im Kontext eines modernen Unternehmens ist es demnach eine Herausforderung, betroffene Mitarbeitende in eine adaptionsfähige Rolle zu entwickeln, in welcher Fähigkeiten gefragt sind, die Roboter (noch) nicht erlernen können und die ein optimales Zusammenarbeiten mit neuen Technologien ermöglichen. Spontane Einfälle, kreative Lösungsfindung und emotionale Entscheidungen sind beispielhafte Fähigkeiten, für die der Mensch unabdingbar bleibt. Um adaptionsfähig zu sein, sollen Mitarbeiter ausserdem über sich hinauswachsen können, Veränderungen antizipieren und sie selber aktiv vorantreiben, um auch im nächsten Entwicklungsschritt nicht vom Roboter überholt zu werden.

Das Schaffen neuer Rollen und die Entwicklung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in diese Richtung ist eine Leadership-Herausforderung. Im Zentrum steht das Befähigen der Mitarbeitenden, ihre persönlichen, menschlichen Stärken zu entwickeln und dabei einen hohen Grad an Selbständigkeit bzw. Autonomie, kurz Empowerment, zu erlangen.

Der Lösungsansatz: Empowerment

Unter den Begriff Empowerment fällt ein breites Feld an Definitionen und es gibt verschiedene Ebenen, auf welchen Empowerment wirkt. Konkret können folgende Ebenen des Empowerment unterschieden werden: Psychological, Role, Organizational und Embedded [1]. Das perfekte Modell von erfolgreichem Empowerment wäre eine Kombination von Ansätzen auf allen vier Wirkungsebenen. Doch Beispiele aus dem Internet und der Literatur zeigen, dass bereits einzelne, kleine Massnahmen auf Ebene Role Empowerment grosse Wirkung erzielen können, sofern einige wichtige Grundvoraussetzungen gegeben sind. Dieser Essay fokussiert auf Role Empowerment gemäss Definition in der Box.

Role Empowerment meint das Befähigen von einzelnen Mitarbeitern oder Teams, mehr Verantwortung zu übernehmen, und ist die Wirkungsebene mit den am häufigsten anzutreffenden Ansätzen in der Praxis.

Durch Festlegen von gemeinsamen und einzelnen Zielen, aber auch Leitplanken, transformiert man Personen von ausführenden zu mitdenkenden Angestellten. Dabei gilt dies nicht nur für die Arbeitstätigkeit. Vielmehr wird auch finanzielle Verantwortung auf die Personen übertragen, zum Beispiel ein Budget für Ausbildung, welches der oder die Mitarbeitende selbständig und ohne Freigabe des Vorgesetzten einsetzen kann. [2]

Empowerment kann auch mit «Stärkung der Entscheidungskompetenz» umschrieben werden. Es geht somit um die Übertragung von Entscheidungsautorität an die jeweils nachgelagerte Hierarchiestufe.

Voraussetzungen erfolgreichen Empowerments

Damit Empowerment gelingen kann, gilt es, wichtige Voraussetzungen und Mechanismen zu verstehen. Bei der Förderung von Empowerment in einem Unternehmen handelt es sich um einen wechselseitigen Prozess: Einerseits soll die Selbstverpflichtung der Mitarbeitenden gefördert werden, andererseits muss die Unternehmung eine «organisationale Verpflichtung bezüglich der Bedürfnisse der Mitarbeitenden zeigen». [3]

Folgende drei Grundvoraussetzungen sind unabdingbar, damit dieser Mechanismus greifen kann:

  1. Wollen seitens der Mitarbeitenden: Angestellte können nicht gegen ihren Willen dazu gezwungen werden, Verantwortung zu übernehmen [4]. Gemäss dem Leadership-Experten Boris Grundl gilt die 50/50-Regel: «50 Prozent Umfeld, 50 Prozent Individuum.» [5] Nicht alles hängt am System und lässt sich somit durch das Unternehmen beeinflussen. Zu den Faktoren, welche verantwortliches Denken seitens der Mitarbeitenden jedoch fördern können, gehören unter anderem eine positive Fehlerkultur, vorbildliche Vorgesetzte sowie das Coaching der Mitarbeitenden.
  2. Neudefinition der Aufgaben seitens des Managements: Mit der Schaffung von Handlungsfreiräumen für Mitarbeitende tritt das Management einen Teil seiner ursprünglichen Funktionen an die Angestellten ab. Zum Beispiel entfällt für das Management weitgehend die Kontrolle der Mitarbeitenden im Sinne von Disziplinierung und Überwachung. Die Mitarbeitenden werden autonom(er) und kontrollieren ihre eigene Arbeit, statt dass sie Abläufen blind untergeordnet sind. [6]
  3. Übereinstimmung der Unternehmungs- und Mitarbeitenden-Werte: Um die intrinsische Motivation der Mitarbeitenden zu wecken, müssen sie ihre Tätigkeit in irgendeiner Weise als sinnstiftend, interessant und ermutigend erleben. Dies ist der Fall, wenn sich die Arbeitsziele mit den eigenen Einstellungen und Werten überschneiden. [7]

Sind diese Grundvoraussetzungen gegeben, können Mitarbeitende über die Teilung von Macht und durch die Stärkung ihrer Entscheidungskompetenz «empowert» werden. Unterstützend dabei fungieren fünf Faktoren, welche in unterschiedlicher Ausprägung, kombiniert oder alleinstehend, wirken können:

  • Möglichkeit, sich selbst weiterzuentwickeln und zu wachsen
  • Zugang zu relevantem Wissen
  • Zugang zu Unterstützungsleistungen (Feedback bzw. Beratung durch Kollegen bzw. Vorgesetzte)
  • Zugang zu adäquaten Ressourcen (Zeit, Mittel)
    Gelegenheit zum Aufbau und zur Nutzung von persönlichen Netzwerken

Ergänzend dazu können strukturelle Parameter der Arbeitsgestaltung wie z. B. abwechslungsreiche Tätigkeiten, Raumgestaltung etc. den Effekt zusätzlich erhöhen, solange keine Überforderung der individuellen Leistungskapazität stattfindet.

Role Empowerment Circle: Um Role Empowerment zu ermöglichen sind die drei Grundvoraussetzungen unabdingbar: Das Wollen der Mitarbeiter, die Neudefinition der Aufgaben sowie die Übereinstimmung der Werte. Unterstützend können die im äusseren Kreis genannten flankierenden Massnahmen eingesetzt werden. Sie wirken einzeln wie auch kombiniert.

Beispiele für erfolgreich implementiertes Empowerment

Folgende Beispiele veranschaulichen die Relevanz von Role Empowerment und insbesondere der Stärkung von Entscheidungskompetenzen im Arbeitsalltag.

Ein Kunde des Online-Schuhshops Zappos vergass infolge des Todes seiner Mutter, Schuhe zurückzusenden. Als der zuständige Sachbearbeiter davon erfuhr, organisierte er umgehend die Abholung der Schuhe durch einen Logistikpartner, ohne dass sich der Kunde darum kümmern musste, obwohl dies nicht der gängigen Policy des Unternehmens entspricht. Einen Tag später fand der besagte Kunde zudem ein Blumenarrangement vor seiner Türe mit einer Karte, in der Zappos seine Anteilnahme am Todesfall bekundete. In die gleiche Kerbe schlägt die Geschichte einer Mitarbeiterin von Freight First. Sie organisierte eine Massage für einen Kunden, welcher am Vortag einen Ultra-Marathon gelaufen war. Für beide Aktionen bedurfte es keinerlei Einwilligungen von Vorgesetzten. Die Mitarbeitenden verfügen über den Zugang zu Systemen, in denen Prozesse für Kunden beeinflusst werden können. Sie sind ermächtigt, bestimmte Entscheidungen eigenmächtig vorzunehmen und somit zeitnah zu reagieren, im Sinne von positiven Kundenerlebnissen.

Dass Empowerment ein wesentlicher Schlüssel für den Erfolg einer Firma ist, zeigt sich auch in einer von Google durchgeführten Studie unter dem Projektnamen «Oxygen». Diese analysiert, was einen guten Manager ausmacht. Bereits an zweiter Stelle steht: «[The manager] empowers the team and does not micromanage.» Mikromanagement verlangsamt und verkompliziert nicht nur jede Entscheidung, es impliziert gleichzeitig fehlendes Vertrauen der Vorgesetzten in die Kompetenzen und Entscheidungsfähigkeiten eines Teams. In diesem Sinne beschreibt auch der Videostreaming-Dienst Netflix seine Firmenkultur: «The best managers figure out, how to get great outcomes by setting the appropriate context, rather than by trying to control their people.»

Eine Herausforderung bei der Aktivierung von Role Empowerment bildet die Tatsache, dass Führungskräfte nicht selten der Meinung sind, sie müssten besser sein als alle ihnen im Organigramm unterstellten Personen. Es drängt sich die Frage nach dem «Weshalb?» auf. Wie bei den Grundvoraussetzungen beschrieben, bedeutet Empowerment auch eine Adaption der Aufgaben für Führungskräfte. Sie werden zunehmend zu Coaches, deren Rolle es ist, eine Umgebung zu kreieren, in welcher ihre Teammitglieder zu Höchstform auflaufen können. Richard Branson sagte hierzu: «What if a CEO stood for ‹chief enabling officer›? What if that CEO’s primary role were to nurture a breed of intrapreneurs who would grow into tomorrow’s entrepreneurs?». Es lohnt sich, diesen Gedanken zu verfolgen, denn Virgin wurde 2017 von LinkedIn zu einem der besten Arbeitgeber in den UK gewählt. Dazu meinte Richard Branson: «I’ve always believed that by taking care of people in my companies, the rest will take care of itself.»

Fazit

«Es gibt fast keine Chance, dass Menschen gewinnen, wenn sie in Zukunft mit Maschinen um Gedächtnis und Berechnung konkurrieren», hielt Alibaba-Gründer Jack Ma 2018 im Rahmen des zweiten World Intelligence Congress fest. Nach einer Ära, die durch die Industrialisierung geprägt war, steht nun das Zeitalter der Intelligenz bevor. Für uns Menschen bedeutet dies, zukünftig buchstäblich unsere «Human Ressources» ins Zentrum zu rücken. Während sich wiederholende Arbeiten wie auch komplexe Berechnungen effizienter durch Roboter und Maschinen erledigen lassen, zeichnen Empathie, Kreativität, vernetztes Denken und Verantwortungsbewusstsein unsere menschliche Intelligenz aus. Diese Attribute gilt es zu stärken und an dieser Stelle greift das Role Empowerment.

Role Empowerment verhilft Mitarbeitenden zu einem besseren Verständnis ihres Unternehmens, zu mehr Handlungskompetenz, zu mehr Eigeninitiative und schlussendlich zu einem positiveren Selbstbild. Es trägt dazu bei, Veränderungen nicht als Gefahren wahrzunehmen und unterschiedliche Blickwinkel einnehmen zu können.

Frau Agosti steht in der zu Beginn dieses Beitrags aufgeführten Geschichte stellvertretend für all die Menschen, die einen Beruf ausüben, der in Zukunft von Robotern erledigt werden könnte. Damit sich die Zukunft von Frau Agosti so entwickelt, dass sie weiterhin einen wertgenerierenden Beitrag leisten wird, können Sie als Führungskraft mitbestimmen. Also los: «Empowern» Sie Ihre Mitarbeiter!

Empowerment für alle

Empowerment klingt gut, doch wie macht man die ersten Schritte in Richtung Empowerment? Die Herausforderungen hierbei liegen in folgenden Punkten: Transparenz, Zeit und Wille. Um dieser Ausgangslage gerecht zu werden, können Vorgesetzte als erstes Zeit und Raum schaffen, um die Wichtigkeit von Empowerment mit Mitarbeitenden zu thematisieren. Die Auseinandersetzung hilft, Unsicherheit abzufedern und Empowerment besser zu verstehen. Hier setzt auch das «Role Empowerment Log» an, welches sich in erster Linie auf die Definition von Role Empowerment als «Stärkung der Entscheidungskompetenz» abstützt. Das Log hilft, den Prozess des «Empowerns» schrittweise anzugehen, sodass Mitarbeitende durch die neu gewonnene Gestaltungsfreiheit nicht überfordert werden. Im Kollaborationsprozess zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitenden klärt das Log unter anderem folgende Fragen:

  • Welche Entscheidungen werden Mitarbeitende neu selbstbestimmt treffen
  • Welches Wissen, welche Ressourcen und welche Rahmenbedingungen brauchen Mitarbeitende dazu?
  • Mit wem können Mitarbeitende über geplante Entscheidungen diskutieren
  • Wie können Mitarbeitende wachsen, um die Entscheidungen treffen zu können?

Das Ziel des Logs ist es, einen Beginn ins Thema Empowerment zu begleiten. Zudem lässt sich dieses beliebig erweitern. Vorstellbar ist, dass Mitarbeitende auch untereinander ihre «Role Empowerment Logs» und neue gemeinsame Ziele kollaborativ erarbeiten.

Quellenverzeichnis

[1] Vgl. Wall, T. D./Wood, S./Leach, D. (2003): Empowerment and Performance. In: International Review of Industrial and Organizational Psychology 2004, Volume 19.

[2] Ebd.

[3] Vgl. Kolodny, H.F. (1986): Selbstverpflichtung und Flexibilität, Abkehr vom Modell der Fremdkontrolle. In: Die Betriebswirtschaft 46, 603.

[4] Vgl. Sprenger, R. (1996): Das Prinzip Selbstverantwortung. Frankfurt/Main, S. 203.

[5] Steinle, C./Ahlers, F./Riechmann, C. (1999): Management by Commitment – Möglichkeiten und Grenzen einer ‚selbstverpflichtenden’ Führung von Mitarbeitern. In: Zeitschrift für Personalforschung, Ausgabe August 1999, S. 226.

[6] Vgl. Jumpertz, Sylvia (2017): Du darfst … Verantwortung übernehmen. In: Manager Seminare, Heft 227, Februar 2017, S. 54.

[7] Vgl. Steinle, C./Ahlers, F./Riechmann, C. (1999): Management by Commitment – Möglichkeiten und Grenzen einer ‚selbstverpflichtenden’ Führung von Mitarbeitern. In: Zeitschrift für Personalforschung, Ausgabe August 1999, S. 225.

[8] Vgl. Harrell, M./Barbato,L. (2018): Great managers still matter: the evolution of Google’s Project Oxygen. In: re:Work vom 27.2.2018.

[9] Carré, Tounsi Au (o.D.): Reference Guide on our Freedom & Responsibility Culture. www.academia.edu.

[10] Coleman, Alison (2018): Empowering people to fulfil their potential at work. In: Virgin, 11.2.2018.

[11] Vgl. Preston, Jack (2017): LinkedIn name Virgin as one of the UK’s top places to work. In: Virgin, 19.5.2017.

[12] Vgl. Jack Ma ruft zu Bildungsreformen im Zeitalter der künstlichen Intelligenz auf. In: german.china.org.cn, 20.5.2018.