Leadership Essays 2018

Iterative Leader – die Suche nach dem bestmöglichen Ich

Dominique Loyal, Mela Medina, Michael Nef

Wie entwickle ich mein persönliches Führungsprofil? Mit dieser Frage haben wir uns in den letzten sechs Monaten auseinandergesetzt. Wir sind drei Designer aus unterschiedlichen Disziplinen und alle in grösseren, multidisziplinären Entwicklungsteams tätig. Wir beschreiben in diesem Essay, wie und mit welchen Methoden wir uns unserem persönlichen Führungsprofil angenähert haben. Wir glauben, dass der Weg zu gutem Leadership nur über eine konsequente Selbst- und Fremdspiegelung möglich ist. Diese haben wir als Gruppe angewendet und die daraus resultierenden Erkenntnisse haben uns in unseren eigenen Prozessen weitergeholfen. Gerade weil Leader im Alltag oft in irgendeiner Form isoliert oder alleine sind, ist dieser Reflexionsprozess auf Augenhöhe und unter Gleichgesinnten wichtig, um sich zu verbessern.

Auf der Suche nach dem uns innewohnenden Führungsprofil haben wir uns drei grundlegende Fragen gestellt und für uns ein Vorgehen definiert, um diese beantworten zu können:

«Was macht gutes Leadership für mich aus?»
Wir lernen und verstehen und schärfen damit unser Bewusstsein für unsere ganz persönlichen Leadership-Qualitäten.

«Wo liegt mein Potenzial?»
Wir fühlen und erkennen und reflektieren mit Hilfe von Methoden unser eigenes Verhalten und gewinnen einen besseren Zugang zu unseren Emotionen und unserer intrinsischen Motivation.

«Wie werde ich zu dem Leader, der ich sein möchte?»
Wir handeln und verändern und entwickeln eigene Strategien, um unser individuelles Führungsprofil schrittweise zu schärfen.

Das Ergebnis unserer Auseinandersetzung sind Impulse, Methoden und eine Sammlung wissenschaftlicher Inputs zu diesem Thema. Dabei hat unsere Ausgangslage keine Rolle gespielt und wir haben uns iterativ in einem fliessenden Prozess weiterentwickelt. Wichtig für uns waren Zeit, Belastbarkeit und der Mut, Dinge an sich zu verändern. Nach jeder Iteration haben wir festgestellt, dass wir nicht mehr dieselben sind wie am Anfang unserer Reise. Wir haben uns verändert. Der Weg hat sich gelohnt.

Lernen und Verstehen

Zu Beginn unserer Leadership-Reise haben wir uns die Frage gestellt: Was macht einen guten Leader aus? Es gibt zahlreiche Theorien und Lektüren, die versuchen, eine Antwort auf diese Frage zu geben. Doch macht es Sinn, sich in ein vorgefertigtes Korsett zu zwängen, welches unserem Ich gar nicht entspricht? Muss ich in allen Disziplinen brillieren, um eine Führungsposition einnehmen zu können?

Stellen wir unsere Frage einmal wie folgt: Was macht einen guten Leader für mich aus?

Gibt es den Leader?

Am Anfang unserer Reise sind wir in das Thema Design Leadership mit unseren Vorurteilen über Leader gestartet: Ein Leader exponiert sich, ist extrovertiert, das Charisma strömt aus allen Poren und er/sie weiss immer, wo es langgeht.
In der weiteren Auseinandersetzung wurde uns klar, dass jeder von uns das Bild des idealen Leaders für sich selbst definieren muss. Auf der Basis unseres jeweiligen Sets an persönlichen Fähigkeiten und Charakterzügen haben wir – jede(r) für sich – unser eigenes Führungsprofil erarbeitet.

Digital-Unternehmer und Buchautor Wulf-Peter Kemper hat uns im persönlichen Austausch dazu inspiriert, unseren individuellen Persönlichkeitsbildern auf den Grund zu gehen. Diese haben wir benutzt, um uns selbst aus einer Vielzahl von Führungstypen wiederzufinden, die sich durch unterschiedliche Charaktereigenschaften und Arbeitspräferenzen auszeichnen. Diese vielfältige Charakterisierung ermöglicht es, bei uns selbst zu bleiben und uns nicht in ein unmögliches Korsett zwängen zu müssen. Vielmehr bauen wir auf unseren Stärken auf und lernen, wie wir sie effektiv einsetzen können. Gleichzeitig zeichnen wir unser bestmögliches Ich und suchen uns Eigenschaften, die zu uns passen und die wir stärker ausprägen möchten.

Dadurch, dass wir unserem persönlichen Leadership-Profil nähergekommen sind, können wir uns in den richtigen Bereichen besser positionieren: Als Meister müssen wir unser kreatives Schaffen nicht zwangsweise aufgeben, um mehr Zeit für Teammanagement zu gewinnen. Der Typ Leader wiederum, der die Kunden aufreisst und das Budget aushandelt, muss nicht unbedingt über Inhalte inspirieren können. Im Umkehrschluss haben wir erkannt, dass wir nur dort richtig funktionieren und führen können, wo wir kompetent sind und uns wohlfühlen.

Leadership durch persönliche Klarheit

Diese These wird bestätigt, wenn wir drei unser Bild vom idealen Leader zeichnen. Jeder von uns definiert Führungsqualitäten und das mögliche Umfeld auf unterschiedliche Weise:

Mela

«Bin ich eine Rampensau? Ich kann gut präsentieren und stelle mich mutig und optimistisch neuen Herausforderungen. Allerdings bin ich auch oft sehr gerne die stille, empathische Beobachterin und bemerke Zusammenhänge, die den anderen nicht auffallen. Ich möchte andere begeistern und mitreissen können, aber niemanden mit meinem Enthusiasmus einschüchtern oder abhängen. Absolut notwendig für mein Wohlbefinden ist, dass sich niemand im Team ausgeschlossen fühlt und wir uns auf Augenhöhe begegnen. Ich bin in meiner idealen Konstellation und Positionierung noch nicht gefestigt, aber bin mir meiner Neigungen bewusster. Auf meinem zukünftigen Weg wird mir das helfen, mich richtig verorten zu können, indem ich mich selbst beobachte und mich nicht vor der ehrlichen Meinung anderer scheue. Ich gebe mir Zeit, mich zu finden.»

Mike

«Die Fähigkeit durch Visionen ‹schöpferische Impulse› zu geben und dadurch andere langfristig zu inspirieren, sehe ich als eine der wichtigsten Leadership-Qualitäten. In meinem Unternehmen habe ich mehrmals beobachtet, dass Projekte ohne sinnhafte Vision scheitern. Als Designer schaffe ich immer wieder solche Leitbilder. Dabei habe ich gelernt, dass solche Visionen nur wachsen können, wenn sie vom gesamten Team getragen werden. Durch den CAS lernte ich, mein eigenes Handeln stärker zu hinterfragen und mich mit meinen inneren Überzeugungen auseinanderzusetzen. Ich stellte mir selbst immer wieder folgende Fragen: ‹Was möchte ich verkörpern?›, ‹Für was möchte ich einstehen?›, ‹Was ist meine Vision?›. Mir ist wichtiger als je zuvor, dass jede Vision auch wirklich mit meiner Überzeugung korreliert und mir einen tieferen Sinn anbietet, für den ich mich einsetzen möchte. Denn immer wenn dies der Fall ist, fällt es mir leicht, diese mit Leidenschaft und Überzeugungskraft nach aussen zu tragen. Es gibt viele Leute mit guten Ideen, aber nur wenige Visionäre, die es schaffen, ihre Ideen für andere fassbar zu machen, sodass sie zum gemeinsamen Ziel werden.»

Domi

«Mir war schon lange bewusst, dass ich selbst weder Rampensau noch money maker bin. Für mich war deshalb die Frage offen, in welcher Art von Führungsposition ich mich überhaupt sehen könnte. Kann ich mich drastisch ändern und ein völlig neuer Mensch werden? Die Gespräche mit meinen Kommilitonen haben mir erst die Perspektive ermöglicht, mein ruhiges Wesen nicht als Schwäche, sondern als Stärke zu sehen. Wenn ich heute mein Wunschbild von mir als Leader zeichne, sehe ich mich als jemand, der anderen den Rücken stärkt und sie zur Höchstleistung motiviert. In möchte meine Gelassenheit nutzen, um Struktur in stressige Situationen zu bringen und meinem Team den Fokus auf das Wesentliche zu geben. Mit meinem distanzierten Blick und meiner Empathie kann ich auch persönliche Probleme wahrnehmen und dafür sorgen, dass kein Teammitglied zurückbleibt.»

Wir haben festgestellt, dass es nicht nur ein archetypisches Leaderprofil gibt, sondern wir uns jeweils selbst ein klares Bild machen mussten, mit welchen Qualitäten wir führen möchten und können. Der Schlüssel zum bestmöglichen Führungsstil liegt dabei in der Beziehung zu uns selbst und zu anderen. Erst wenn wir uns selbst führen, können wir auch andere führen. Um diese Vision zu schärfen, benötigen wir Klarheit hinsichtlich unserer Absichten und unserer inneren Werte.

Fühlen und Erkennen

Während wir uns auf unserem Weg neuer Blickwinkel und Perspektiven bewusst werden, kommt immer wieder der Moment, in dem wir uns selbst und unser Handeln reflektieren müssen. Es geht darum, Klarheit im Alltag zu erlangen, aus den Fehlern lernen zu können und Muster zu erkennen. Eine klare Selbstwahrnehmung und eine ehrliche Auseinandersetzung mit uns selbst halfen, unser Selbstbewusstsein zu schärfen. Unsere innere Haltung lieferte das Fundament für persönliche Veränderung. Eine offene Einstellung und die Fähigkeit, Kritik anzunehmen, waren wichtige Voraussetzungen, um die Reflexion als festen Bestandteil in unseren Prozess aufzunehmen. Auf diesem Weg sind wir unseren blinden Flecken, Stärken, Schwächen, Möglichkeiten und Grenzen nähergekommen. Wir haben erkannt, dass wir uns unseres Selbstwerts bewusst sein müssen, um das eigene Potenzial erkennen und ausbauen zu können.

Self-Leadership

Unserem Selbstwert sind wir über die eigene Persönlichkeitsentwicklung nähergekommen. Als Self-Leader sind wir uns bewusst, dass die Selbstführung vor der Führung anderer steht. Wir haben unser Selbstbewusstsein weiterentwickelt, um unsere Absichten und Werte zu kennen und um zu wissen, welche Auslöser oder Situationen uns provozieren. Wir haben unsere Stärken und Fähigkeiten ausfindig gemacht, um unser Selbstvertrauen zu steigern. Wir haben so die Überzeugung erlangt, dass wir mit allem, was auf uns zukommt, umgehen können. Damit können wir selbstwirksam Feedback akzeptieren und uns voranbringen.

Eine hohe Selbstwirksamkeit lässt Kreativität und Raum für Neues zu. Für unsere Persönlichkeitsentwicklung benötigten wir ein Umfeld, in dem wir uns ausprobieren und exponieren konnten, Feedback bekamen und Fehler machen durften.  Um uns selbst nicht zu verlieren, war es notwendig, auf unsere persönliche Resilienz zu achten. Resiliente Menschen haben eine hohe psychische Widerstandsfähigkeit. Sie haben das Potenzial, mit belastenden Situationen einen gesunden Umgang zu pflegen und darin eine Quelle für Weiterentwicklung zu sehen, ohne dabei schädliches Verhalten zu zeigen.

Auf unserem Weg haben wir gelernt, dass wir als Leader dann zugänglich und authentisch sind, wenn wir uns und anderen Fehler eingestehen und uns dabei verletzlich zeigen können. Die Kür besteht darin, uns widerstandsfähig zu zeigen, in Stresssituationen auf Bewältigungsstrategien zurückgreifen und sich im erforderlichen Moment sein eigenes Scheitern eingestehen zu können. Diese Zugänglichkeit schafft Vertrauen und lässt zu, dass andere ebenfalls etwas wagen und im besten Fall das Scheitern als Wachstumschance annehmen können. Das setzt aber ein Umfeld voraus, welches dies nicht als Führungsschwäche auslegt.

Nach der verhaltenstherapeutischen Grundidee ist jedes Verhalten – positives wie negatives – kognitiv erlernt und kann auch wieder verlernt werden. Um uns klar zu machen, an welchen persönlichen Themen wir arbeiten möchten, haben wir wiederkehrend uns selbst und unser direktes Umfeld hinterfragt: Was kann ich besonders gut? Was treibt mich wirklich an? Bin ich an diesem Ort zufrieden? Kann ich hier mein Potenzial ausschöpfen? Bin ich erfolgreich?

Ehrliches und wohlwollendes Feedback aus unserem Umfeld spielte eine wichtige Rolle im Versuch, eigene Muster zu identifizieren. Über Anregungen und Rückmeldungen von aussen konnten wir unsere Selbst- und Fremdwahrnehmung überprüfen und in Frage stellen, ohne uns dabei selbst zu belügen. Uns ist dabei bewusst geworden, dass die eigenen Handlungen, Denkweisen und Emotionen in ständiger Wechselwirkung zueinander stehen. Durch gezielt eingesetzte Techniken, wie zum Beispiel Exposition, Achtsamkeitstraining und Selbsttests, konnten wir sukzessive an die erwünschten Denk- und Verhaltensweisen herangehen. Bei den Methoden haben wir uns unter anderem von Gastdozenten, der klassischen Verhaltenstherapie oder Teamcoaching-Strategien inspirieren lassen.

Mela

«Ich habe mit Simon Sineks Framework Find your Why (Sinek, Mead & Docker, 2017) meine wahre Überzeugung und Motivation gesucht. Im Bezug auf die altruistische Motivation kann ich klar von mir sagen, dass ich das grosse Bedürfnis habe, niemanden auszuschliessen, und dass sich alle im Team zugehörig fühlen. Das Gefühl, aus einer Gruppe ausgeschlossen zu sein, kenne ich selbst gut und es stellt für mich den Ursprung dieser Motivation dar. Ich bin mit Sinek einig, dass das Why nicht im Ego begründet ist, aber natürlich bin ich auch durch Eigennutz motiviert. Grundsätzlich ist das auch nicht zwingend schlecht. So ist mein Bedürfnis nach Anerkennung und Selbstverwirklichung, in Kombination mit meiner Loyalität, ein starker Treiber, um ein Team zusammenzuhalten und das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren.»

Mike

«Für mich sind die Mittel der Achtsamkeit ein guter Weg, um mich gezielt zu reflektieren. Der Mensch neigt dazu, sich an negative Ereignisse stärker erinnern zu können als an positive. Momente und Begegnungen besonders achtsam wahrzunehmen, hilft mir, positive Ereignisse und Verhaltensweisen nicht als selbstverständlich abzuhaken, sondern bewusst zu verstärken. Ich selbst schreibe ein Dankbarkeits-Journal, worin ich jeden Morgen vor der Arbeit drei bis zehn Erlebnisse oder Begebenheiten schreibe, für welche ich dankbar bin. Es kann sich dabei um alles Mögliche handeln. Auch kleine Dinge wie das Wetter finden darin ihren Platz. Der Trick dabei ist, dass man sich so positive Gedanken ins Bewusstsein ruft, die schon vorhanden sind, und für die man keine Bemühungen mehr aufwenden muss. Dadurch steigert sich mein Wohlbefinden und ich fühle mich am Morgen entspannt und glücklich, wodurch ich positiver in den Tag starten kann.»

Domi

«Häufig stelle ich fest, dass ich Feedback bei Reviews nur oberflächlich und sehr vorsichtig ausspreche. Das ärgert mich, weil ich innerlich immer eine deutliche Meinung habe. Im CAS haben wir mit einem Rollenspiel eine solche Feedbacksituation nachgespielt: Dabei musste ich meine Komfortzone zwar verlassen, konnte aber in einer geschützten Umgebung gezielt ein anderes Verhalten ausprobieren. Ich habe festgestellt, dass ich durchaus in der Lage bin, meine Meinung zu vertreten. Durch das Feedback meiner Kommilitonen habe ich zudem Anhaltspunkte bekommen, welche mir das deutlich erleichtern. Diese Erfahrung hat mein Selbstbild verändert: Ich möchte meine überlegte Art behalten, habe aber auch Mut zur Direktheit gefunden.»

In der Vielfalt der Möglichkeiten haben wir erkannt, dass uns jeweils unterschiedliche Methoden ansprechen. Wir haben festgestellt, dass nicht jede Methode für jeden von uns gleich gut funktioniert. In diesen Fällen hat der- oder diejenige Änderungen an der Methode vorgenommen – oder sie ganz abgebrochen und sich einer neuen Technik zugewandt. Wichtig war es, sich auf den eigenen Weg zu machen, einfach anzufangen und sich nicht stoppen zu lassen!

Handeln und Verändern

Ein zentraler Bestandteil unserer Entwicklung war aktives Handeln: Wenn man sich intensiv mit sich selbst beschäftigt und dabei sich selber näherkommt, müssen die daraus gewonnenen Erkenntnisse im Alltag überprüft werden. Wir haben auf unserer Reise eine Faustregel dafür gefunden: Handeln statt denken! Wir haben neue Dinge gewagt und nicht lange überlegt. Wir haben bewusst das gewohnte Umfeld verlassen und unseren Hang zur Perfektion zurückgestellt. Dabei war irrelevant, ob wir bereits fachlich oder lateral führen oder uns erst noch als Leader etablieren möchten. Es galt für uns, die gegebenen Räume voll auszureizen und mit unseren eigenen Möglichkeiten zu arbeiten.

Kontinuierlicher Fortschritt

Wir drei haben unseren Weg zur idealen Führungspersönlichkeit als einen kontinuierlichen Prozess definiert, in dem wir uns konstant entwickeln möchten und uns am Design Thinking orientieren: In ständigen Iterationen haben wir uns stetig verbessert, neue Ziele und Rahmenbedingungen formuliert und uns ausprobiert. Dazu haben wir Experimente durchgeführt, in denen wir unsere jeweils erlernten Muster, aber auch die im Unternehmen etablierten Routinen bewusst verlassen haben. Lang bestehende Verhaltensweisen und Strukturen wurden von uns hinterfragt und mit neuen Lösungen angegangen. Wir haben uns dabei genau beobachtet: Wie haben wir uns gefühlt? Sind wir zufrieden mit dem Ergebnis? Und: Was hätten wir besser machen können? Mit diesen Experimenten ist es uns leichter gefallen, uns kontinuierlich zu reflektieren und Erkenntnisse für unseren weiteren Weg zu gewinnen.

Zeit für Experimente

Auch wenn unser Weg durch das Experimentieren geprägt ist, war es für uns wichtig, die Themen vorbereitet anzugehen. Dafür haben wir für uns selbst deklariert, dass Fehlschläge erlaubt sind: Das Resultat ist unbekannt und das gewünschte Ergebnis wird vielleicht nicht erreicht. Das Ziel unserer Experimente waren in erster Linie neue Erkenntnisse, und nicht ein erfolgreicher Ausgang.

Solche Experimente können für jeden anders aussehen. Wir selbst haben uns in den letzten Wochen in unterschiedlichen Bereichen auf Neues eingelassen:

Mela

«Ich habe beobachtet, dass ich je nach Anspannung oder Tagesform mit unterschiedlicher Stimmlage spreche. Aber, ich kann durch bestimmte Körperübungen auch aktiv Einfluss auf mein Befinden und somit auch meine stimmliche Präsenz nehmen. Mir ist es wichtig, meine Stimme gezielt und situativ einsetzen zu können. In einer Präsentation möchte ich meine Zuhörer fesseln. In einer hitzigen Diskussion muss ich mir Gehör verschaffen und in einem vertrauten Gespräch auf mein Gegenüber eingehen können. Deshalb habe ich begonnen, Gesangsstunden zu nehmen. Dies, obwohl ich nicht gut singen kann und der Unterricht deshalb auch frustrierend ist. Ich sehe dies als ein Leadership-Coaching, in welchem das Singen Mittel zum Zweck ist, nämlich meine Stimme zu schulen, die Facetten meiner Präsenz zu zeigen und mit ihnen spielen zu lernen.»

Mike

«Neben meiner Arbeit leite ich Schulungen zum Thema Interaction Design. Früher war der Einstieg in meinen Unterricht kurz gehalten und vor allem auf meinen Werdegang bezogen. Im Laufe der Zeit habe ich festgestellt, dass es wichtig ist, die Erwartungen der Gruppe abzuholen und sich selbst klar zu positionieren. Deshalb habe ich ausprobiert, verstärkt auf die Bedürfnisse der Klasse einzugehen: Mein Experiment besteht darin, jedem Teilnehmer in der Einleitung nun persönlich die Hand zu geben und ihn nach seinen Erwartungen und Wünschen zu fragen. Zudem stelle ich nicht mehr meinen Werdegang vor, sondern erzähle von meiner Überzeugung als Macher und Denker. Obwohl die Einführung somit länger dauert, ist das Feedback meiner Teilnehmer so positiv wie noch nie. Das überzeugt mich, weiterhin so in den Unterricht zu starten.»

Domi

«Mit meinem Team mache ich einmal im Monat eine Start/Stop/Continue-Befragung. Gemeinsam schauen wir uns dabei an, welche Dinge gut laufen, welche wir verbessern müssen und was wir ganz aufhören sollten. Die Methode hat sich schnell für mich bewährt, weil sich das ganze Team auf eine kritische Auseinandersetzung mit den Themen eingelassen hat und sich aktiv beteiligt. Meine Teammitglieder nutzen diese Chance, um auch Dinge anzusprechen, die gar nicht gut laufen – gemeinsam suchen wir dann nach Lösungen. Damit ist der Wir-Gedanke im Team erst spürbar geworden.»

Schnell haben wir festgestellt, dass nicht nur wir uns auf diesen Entwicklungsprozess einlassen müssen. Es benötigt auch das Verständnis und die Unterstützung von den Menschen, die kollateral in diesen Prozess involviert sind. Für uns waren das unsere Partner, die uns verständnisvoll unterstützen, oder unser Chef, der bereit war, uns die nötigen Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Dafür haben wir Vertrauen durch eine offene und ehrliche Kommunikation geschaffen. Mit dem CAS-Kurs in Design Leadership haben wir parallel zum privaten und geschäftlichen ein drittes Umfeld gefunden, in dem wir aus den Erfahrungen der Teilnehmer und Mentoren schöpfen konnten. Dabei haben wir beobachtet, dass unsere persönliche Weiterentwicklung manchmal auch zu der Erkenntnis führt, dass unser bestmögliches Ich nicht in das derzeitige Umfeld passt. Dann galt es für jeden Einzelnen zu entscheiden, wie damit umzugehen ist.

Zusammenfassend können wir sagen, dass der wichtigste Treiber in unserer Entwicklung zum Leader unsere eigene Motivation ist. Wir brauchen den Willen, uns zu verändern, und den Mut, aus etablierten Strukturen auszubrechen. Es war an uns, uns regelmässigen kleinen Herausforderungen zu stellen und uns kontinuierlich zu reflektieren. Dazu haben wir uns Verbündete gesucht und uns einen Raum geschaffen, in dem wir uns frei entwickeln können.

Mit jeder Iteration ein bisschen besser

Auf unserer Reise zu dritt hat jeder von uns seine eigenen Strategien entwickelt, um seinem besseren Ich in der Führung näher zu kommen. Zusammen haben wir den starken Wert der Selbst- und Fremdreflexion erkannt und uns einzeln und in der Gruppe an unsere Experimente gewagt. Wir haben festgestellt, dass jeder sein eigenes Leadership-Profil auf der Basis seiner Stärken und Schwächen entwickeln und ständig neu ausrichten muss. Um sich dabei nicht selbst zu verlieren und auf dem Weg zu bleiben, ist es wichtig, seine Werte und Überzeugungen zu kennen und dafür eintreten zu können.

Erst das kontinuierliche Arbeiten an sich selbst und die ehrliche Reflexion darüber ermöglichen diesen Prozess. Es ist einfach: der Weg ist das Ziel.